Frankreichs Präsident Emmanuel Macron muss sich wieder einen neuen Regierungschef suchen. Sein erst vor neun Monaten angetretener Ministerpräsident Francois Bayrou verlor am Montagabend wie erwartet eine Vertrauensfrage, die er selbst im Streit über die Haushaltspolitik des stark defizitären Euro-Landes gestellt hatte. Analysten sagten in ersten Reaktionen:
JOACHIM SCHALLMAYER, DEKABANK:
«Die gescheiterte Vertrauensfrage stellt den vorläufigen Endpunkt einer Entwicklung dar, welche die Reformunfähigkeit von Frankreich bestätigt und zeigt, dass selbst kleinste Sparmassnahmen nicht mehrheitsfähig sind. Die Kapitalmärkte begleiten die Entwicklungen in Frankreich seit geraumer Zeit kritisch. So sind die Risikoprämien für französische Staatsanleihen in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen, mit einer beschleunigten Dynamik ab Mitte August. Somit hat sich der Kapitalmarkt auf das Scheitern der Vertrauensabstimmung vorbereitet, entsprechend unaufgeregt verlief der Handelsverlauf bei französischen Staatsanleihen zum Wochenstart und auch im Nachgang der gescheiterten Vertrauensfrage dürften sich die Bewegungen in Grenzen halten. Die Gefahr eines abrupten Anstiegs der Risikoprämien muss eng beobachtet werden, die verlorene Vertrauensabstimmung wird aber nicht der Auslöser dafür sein, auch nicht für eine erneute Euro-Krisen Debatte.
Frankreich wird weiter unter genauer Beobachtung der Märkte bleiben. Die hohen Schuldenstände in Kombination mit den hohen laufenden Haushaltsdefiziten und der Unfähigkeit einen Richtungswechsel bei den zu hohen Ausgaben herbeizuführen, stellen keine Grundlage für eine nachhaltige Entspannung in den Risikoaufschlägen dar. Im Gegenteil, der Kapitalmarkt wird den Druck aufrechterhalten und ein moderater Anstieg scheint über einen längeren Zeitraum hinweg wahrscheinlich.
Interessant ist, dass Bundesanleihen, die stets als sicherer Hafen galten, von der Unsicherheit in Frankreich nicht profitieren konnten. Durch die hohen Ausgabenprogramme und dem anhaltenden Reformstau hierzulande blickt der Kapitalmarkt heute anders als noch vor einigen Jahren auch auf deutsche Staatsanleihen.»
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
«Ohne Konsolidierung wird die Schuldenquote weiter deutlich zulegen. Zu befürchten ist ein Anstieg von heute 114 Prozent des BIP auf über 140 Prozent auf Sicht der kommenden zehn Jahre. An den Finanzmärkten hat man mit einem Fall von François Bayrou gerechnet. Die Reaktionen fallen deshalb gemässigt aus. Bereits in den vergangenen Wochen kam es zu einem bislang lediglich moderaten Anstieg der Risikoprämien von zehnjährigen französischen Staatsanleihen um etwas mehr als zehn Basispunkten gegenüber deutschen Bundesanleihen. Auch der Euro zeigte keine grösseren Blessuren aufgrund der politischen Turbulenzen in Frankreich.
Die Finanzmärkte werten bislang Frankreich als Einzelrisiko und nicht als systemisches Risiko für die gesamte Euro-Zone. Dieser Umstand dürfte wohl auch dem mittlerweile umfangreichen Instrumentenkasten der EZB zu verdanken sein. Sollten die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen weiter deutlich steigen, könnte die EZB Stützungskäufe tätigen.»
(Reuters)