Das Weisse Haus hat die Schweiz auf einer am Donnerstag (Ortszeit) veröffentlichten Liste zu den US-Zöllen mit 39 Prozent erwähnt. In Kraft treten sollen sie am 7. August. Damit liegt der auf der Liste aufgeführte Zollsatz für die Schweiz sogar noch höher als im April von Trump angekündigt. Damals war von 31 Prozent die Rede.

Erste Reaktionen von Experten zum neuen Zollhammer:

Global Wealth Management Chief Investment Office, UBS:

«Unser Basisszenario geht weiterhin davon aus, dass die Schweiz und die USA ein Zollabkommen ähnlich dem zwischen der EU und den USA geschlossenen Abkommen mit 15 Prozent Zöllen erzielen werden. Angesichts der starken Abhängigkeit der Schweiz von Pharmaexporten spielen der Ausgang der Zolluntersuchungen nach Abschnitt 232 und Donald Trumps Bemühungen, die Preise für Pharmaprodukte zu senken, für den Aussenhandel eine ebenso wichtige Rolle. In unserem Basisszenario erwarten wir für die Schweizer Wirtschaft in den kommenden Quartalen ein schwaches Wachstum, aber keine Rezession. Die SNB dürfte ihren Leitzins bei 0 Prozent belassen.»  

Claude Maurer, Chefökonom BAK Economics

«Die neue Drohung ist wirtschaftlich von grosser Sprengkraft. Nicht nur wegen der Höhe, sondern auch weil sie höher ist, als in vergleichbaren Ländern.  Es besteht ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Vorgehen von Trump gegen Pharmaunternehmen für tiefere Preise und der erneuten Eskalationsandrohung gegen die Schweiz mit Zöllen. Allenfalls sind die Themen verknüpft und es gibt bis zum 7. August wieder eine Veränderung. Ein Muster war bei Trump bisher zu beobachten: Je höher die Drohung, umso unwahrscheinlich die Umsetzung.

Falls die Zölle aber in der Gestalt kommen, hat die Schweiz einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen aus der EU und noch stärker Grossbritannien. Dies würde zu Verschiebungen von Lieferketten und Produktionsstandorten führen.  Gemäss unseren Simulationen würde die angedrohte Zollkonstellation das Schweizer BIP-Wachstum um 0.3 Prozentpunkte senken. Das sind über 2.5 Milliarden Franken, die pro Jahr weniger an Löhnen und Gewinnen ausbezahlt werden können. Ausserdem stehen rund 12'500 Stellen über die nächsten Jahre auf dem Spiel.

Schweizer Güter sind kurzfristig aber nicht einfach zu ersetzen in den USA. Made in Switzerland und die Ausrichtung auf Qualität und High-Tech bietet kurzfristig ein gewisser Schutz, um grosse Teile der Zölle auf die USA abzuwälzen. Langfristig überwiegen aber klar die Nachteile, insbesondere gegenüber EU und Grossbritannien.  Der Handelsbilanzüberschuss der Schweiz gegenüber den USA wird sinken. Dies alleine, weil sich die Goldflüsse normalisieren sollten. Das würde tiefere Zölle nach sich ziehen in der Zukunft.»   

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz:

«Für die Schweizer Exportwirtschaft sind dies sehr schlechte News. Speziell Firmen, die primär in der Schweiz produzieren und viel in die USA exportieren, trifft es hart. Neben den Zöllen kommt noch der Währungseffekt hinzu. Die Abwertung des US-Dollars um über 10 Prozent seit Jahresbeginn ist eine zusätzliche Belastung. Kumuliert werden Schweizer Produkte damit fast 50 Prozent teurer. Solche Preiserhöhungen vollständig durchzusetzen wird auch für Marktführer mit hoher Preissetzungsmacht fast unmöglich.

Weniger beeinträchtigt sind global aufgestellte Schweizer Firmen mit einer starken Produktionsbasis in den USA sowie natürlich der gesamte Dienstleistungssektor. Weitere Gesprächsversuche auf Regierungsebene werden zwar nun erneut aufgenommen. Derzeit gibt es aber wenig erfolgversprechende Anzeichen, dass diese Zölle kurzfristig noch abgewendet werden können. Gewisse Hoffnungen bestehen, dass US-Gerichte die pauschalen Zölle als unrechtmässig deklarieren.

Und ansonsten wäre es nun dringend notwendig, mit einer massiven Deregulierung und Entbürokratisierung in der Schweiz die heimische Industrie und die KMU zu entlasten. Dafür braucht es keine Zustimmung aus dem Weissen Haus.»

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank: 

«Donald Trump veröffentlichte wie angekündigt zum 1. August neue reziproke Zölle. Diese sollen ab 7. August gelten. In der Schweiz blickt man mit Entsetzen auf die Ergebnisse: Die Eidgenossenschaft ist mit am härtesten betroffen. Das sind keine frohen Nachrichten just am Schweizer Nationalfeiertag. Während den meisten Ländern ein Zollsatz von 15 Prozent auferlegt wird, rangieren die Schweizer Importe mit einer 39 Prozentigen Einfuhrgebühr unter den Top-Vier-Nationen. 

Tatsächlich ist die USA für die Schweiz das wichtigste Exportland. Knapp 20 Prozent der eidgenössischen Ausfuhren gehen über den Atlantik, was einem Warenwert von 57 Milliarden Franken entspricht. Mildernd wirkt, dass rund die Hälfte der Exporte auf Pharmaprodukte entfallen, die bislang von Zöllen ausgenommen sind. Leidtragende sind damit die Uhrenindustrie, die Maschinenbauer und vor allem auch die Lebensmittelindustrie.

Die Schweizer Diplomatie dürfte bis zum 7. August auf Hochtouren laufen, um dem angekündigten Zollsatz doch noch zu entgehen. Würde tatsächlich die 39 Prozent greifen, hätte dies empfindliche Wachstumseinbussen für die Schweizer Wirtschaft zur Folge. Erschwerend kommt hinzu, dass der Franken gegenüber dem Dollar kräftig aufgewertet hat und die Zölle als zusätzlich Bürde noch obendrauf kämen. Doch wir kennen Donald Trump: Erst wird eskaliert, dann wird verhandelt und am Ende ist der Zollsatz deutlich niedriger. Gerade deshalb sind die Hoffnungen groß, dass am Ende die Schweiz ebenfalls mit niedrigeren Einfuhrgebühren kalkulieren kann.»

Wei Yao, Stratege SG Markets Research & Insight:

«Die Ankündigung vom 1. August über gegenseitige Zölle ist etwas schlechter als erwartet. Es gab negative Überraschungen bei einigen nicht unbedeutenden Exporteuren, beispielsweise Brasilien (zusätzliche 40 Prozent) und der Schweiz (gegenseitiger Zollsatz von 10 Prozent auf bis zu 39 Prozent). Es ist verlockend zu glauben, dass ein Grossteil der Unsicherheit hinsichtlich der Zölle nun hinter uns liegt, aber wir bleiben vorsichtig.»

Frantisek Taborsky, Ökonom ING Bank:

«Die USA haben neue 'gegenseitige' Zölle angekündigt - Kanada, die Schweiz und Neuseeland sind dabei besonders betroffen, während der Basiszinssatz bei 10 Prozent bleibt. Die verhaltene Reaktion der Märkte deutet darauf hin, dass weiterhin mit Handelsabkommen gerechnet wird und der Fokus der Finanzmarktteilnehmer viel stärker auf den konjunkturellen und makroökonomischen Daten liegt. Für heute erwarten wir bei den US-Arbeitsmarktdaten 115'000 neue Arbeitsplätze und eine Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent, was zu einer gewissen Konsolidierung der Dollar-Gewinne führen könnte.»

Hans Gersbach, Ökonom KOF:

«Das Zollprogramm der US-Administration markiert eine noch schärfere Zäsur für die Schweiz als der «Liberation Day». Nicht nur wird die harte Abkehr von Regeln, die den multilateralen Ansatz des internationalen Handels wie die Nicht-Diskriminierung und Reziprozität bei Zollabbaumassnahmen geprägt haben, weiter verschärft, sondern weil gegen die Schweiz eine maximale Drohkulisse etabliert wird.

Selbstverständlich muss jetzt alles darangesetzt werden, einen «Deal» mit der Trump-Administration zu erreichen, um die extreme Zolldrohung abzuwenden und das Risiko für die Pharmaindustrie zu limitieren. Gegenmassnahmen sind dabei nicht sinnvoll, da die Schweiz völlig isoliert mit solchen Massnahmen operieren würde und angesichts der ökonomischen und technologischen Machtverhältnisse nur verlieren würde.

Trotzdem wird eine intensive Reflexion nach der Lösung dieses Handelskonflikts nötig sein, wie sich die Schweiz in einer Welt, in der ökonomische und technologische Machtverhältnisse so stark im internationalen Handel von Gütern und Dienstleistungen und in den Finanzmärkten genutzt werden, besser aufstellen kann.»

Aisha Gutknecht arbeitet seit Juli 2024 als Redaktorin für cash.ch.
Aisha GutknechtMehr erfahren
Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren