Hoffnungsschimmer für die angeschlagene deutsche Industrie: Nach vier Monaten mit sinkender Nachfrage in Folge hat sie im September erstmals wieder mehr Aufträgen erhalten. Die Bestellungen wuchsen um 1,1 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Wachstum von 1,0 Prozent gerechnet. In ersten Reaktionen hiess es:
Jörg Krämer, Chefökonom Commerzbank:
«Die Auftragseingänge ohne die stark schwankenden Grossaufträge haben nur gut die Hälfte des August-Einbruch aufgeholt, der auch durch ungewöhnlich viele Werksferien in der Autoindustrie verursacht worden war. Alles in allem bewegen sich die Orders weiter unter Schwankungen seitwärts, sie signalisieren anders als die weiter nach vorne schauenden Stimmungsindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima noch keine Erholung. Diese dürfte erst im nächsten Jahr einsetzen, wenn der Staat die Nachfrage durch Schulden finanziert anschiebt. Allerdings trägt das Züge eines Strohfeuers, weil es wohl nicht zu den notwendigen umfassenden Reformen kommt.»
Alexander Krüger, Chefökonom Hauck Aufhäuser Lampe:
«Die Auftragslage lässt insgesamt weiter zu wünschen übrig. Mehr Aufträge bedeuten derzeit nicht auch ein Mehr an Produktion. Es bedarf erst einmal weiterer Zuwächse, um die Auftragsverluste der Vormonate aufzuholen. Das ist schwierig genug, zumal Unternehmen wieder über Materialmangel klagen. Bis zum Hauptschub des Fiskalpakets gilt es sich weiter durchzuhangeln. Eine Belebung der Kapazitätsauslastung steht vorerst jedenfalls nicht auf der Agenda. Auch werden die chronischen Probleme in der Industrie durch das Fiskalpaket nicht einfach so verfliegen.»
Cyrus de la Rubia, Chefökonom Hamburg Commercial Bank:
«Die Abhängigkeit vom Ausland nimmt zu. Die inländische Nachfrage hat nachgelassen und wurde überkompensiert durch die Aufträge aus dem Ausland, so dass insgesamt ein Zuwachs erreicht wurde. Auch wenn die Abhängigkeit aus dem Ausland damit gestiegen ist, könnte sich das in absehbarer Zeit ändern. Denn die Bundesregierung ist ja gerade dabei, die Weichen für einen Anstieg der Nachfrage im Inland zu stellen. Höhere Infrastrukturausgaben, die Entfaltung des Investitionsboosters, niedrigere Strompreise durch den Industriestrompreis ab dem nächsten Jahr und mehr Verteidigungsausgaben - all das sind Dinge, die auf die Inlandsnachfrage einzahlen sollten.»
Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank:
«Somit sind die Auftragseingänge zumindest wieder zurück in ihrer Seitwärtsbewegung. Die starken Neubestellungen im September dürfen deshalb nicht als Signal einer Trendwende verstanden werden, sondern vielmehr lediglich als Korrektur auf die schwachen Vormonate. Doch abwegig ist eine Trendwende in den kommenden Monaten dennoch nicht. Die vierteljährliche Unternehmensbefragung der EU-Kommission zeigt, dass deutsche Firmen ihre Auftragsentwicklung so positiv einschätzen wie zuletzt vor vier Jahren. Die monatliche Umfrage des Münchener ifo-Instituts zeigt ein ähnliches Bild. Jetzt werden die kommenden Monate zeigen müssen, ob die Zuversicht der Unternehmen sich auch in harten Fakten, also einem höheren Auftragseingang, niederschlagen.. Wäre dem so, könnte dann tatsächlich von einem Trendwechsel gesprochen werden.»
(Reuters/cash)
