Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Januar bis März um 0,4 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mitteilte. In einer früheren Schätzung war von 0,2 Prozent die Rede. Grund für das gegenüber der ersten Schätzung leicht höhere Wachstum war die überraschend gute konjunkturelle Entwicklung im März, wie Destatis-Chefin Ruth Brand weiter mitteilte.
Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:
Cyrus de la Rubia, Chefökonom Hamburg Commercial Bank:
«Vermutlich beginnt hier gerade ein Aufschwung. Konsum, Investitionen und Exporte, alles ging im ersten Quartal nach oben, was für eine breit angelegte Erholung spricht. Die grosse Frage ist, ob zumindest ein Teil dieser Dynamik in die nächsten Quartale getragen werden kann. Bei den Exporten und der Produktion des Verarbeitenden Gewerbes dürfte es im zweiten Quartal sicherlich verhaltener zugehen, denn hier haben offensichtlich Vorzieheffekte im Zuge der angekündigten Zölle eine wichtige Rolle gespielt. Insgesamt sehen wir uns in unserer Erwartung bestätigt, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um 0,3 Prozent steigen sollte, was derzeit noch über dem Konsens anderer Beobachter liegt.»
Jens-Oliver Niklasch, LBBW:
«Hoppla! Eine Revision um 0,2 Prozentpunkte ist ungewöhnlich. Zudem wurden die Vorquartale bestätigt. Sonst hat man oft nur eine etwas andere Verteilung der Wachstumszahlen über den Revisionszeitraum. Aber effektiv sieht die Konjunktur mit den heutigen Daten deutlich besser aus als vor der Revision. Möglicherweise haben hier die Exporte eine wesentliche Rolle gespielt. Einiges spricht dafür, dass es bedeutende Vorzieheffekte für die Ausfuhren in die USA im Vorgriff auf befürchtete Zollerhöhungen gab. So etwas ist natürlich kein auf Dauer angelegtes Konjunkturprogramm. Im zweiten Quartal dürfte es eine gewisse Korrektur geben. Dennoch muss man festhalten, dass auch diese Zahl heute dafür spricht, dass die Konjunktur besser läuft als vor ein paar Wochen befürchtet.»
Unerwarteter Rückenwind inmitten der Konjunkturflaute
Die kriselnde deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal mit 0,4 Prozent doppelt so stark gewachsen wie zunächst geschätzt. Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Steigende Exporte und höhere Konsumausgaben der Verbraucher sorgten für Auftrieb beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Vorquartal. Ökonomen hatten im Schnitt mit einer Bestätigung der Erstschätzung gerechnet.
Grund für das höhere Wachstum sei die «überraschend gute konjunkturelle Entwicklung im März», erläuterte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand. In einer ersten Schätzung war die Wiesbadener Behörde noch von einem Plus von 0,2 Prozent ausgegangen. «Vor allem die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe sowie die Exporte entwickelten sich besser als zunächst angenommen», sagte Brand.
Besonders die Exporte, etwa von Autos und Arzneien, stützten im ersten Quartal die Wirtschaft. «Vorzieheffekte im schwelenden Handelskonflikt mit den USA dürften daher zu der positiven Entwicklung beigetragen haben», schrieben die Statistiker.
Die privaten Konsumausgaben stiegen zudem um 0,5 Prozent zum Vorquartal. Mit der abflauenden Inflation und deutlich gestiegenen Löhnen in einigen Branchen haben viele Menschen mehr Geld in der Tasche. Auch wuchsen die Investitionen sowohl in Bauten (plus 0,5 Prozent) als auch in Ausrüstungen (plus 0,7 Prozent).
Droht dennoch drittes Rezessionsjahr in Folge?
Zuletzt hatten sich die positiven Nachrichten zur deutschen Wirtschaft gemehrt. In der Industrie sorgen steigende Auftragszahlen für etwas mehr Zuversicht und die Stimmung in der Wirtschaft hellt sich auf: Im Mai stieg der Ifo-Index den fünften Monat in Folge. Nach Einschätzung von Ifo-Präsident Clemens Fuest fasst die deutsche Wirtschaft langsam wieder Tritt.
Den zarten Aufschwung zu Jahresbeginn hatten viele Ökonomen erwartet. Mit der sprunghaften Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump haben sich die Aussichten für die exportstarke deutsche Industrie jedoch deutlich verschlechtert. Trotz des Hoffnungsschimmers zum Jahresbeginn droht der deutschen Wirtschaft 2025 somit das dritte Jahr ohne Wachstum in Folge - das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.
Zwar hat Trump manche Aufschläge auf Importe in die USA vorerst ausgesetzt. Doch mit dem allgemeinen Basiszoll von zehn Prozent bleibt das Niveau hoch, zudem haben die USA Einfuhren etwa von Autos und Stahl verteuert.
2025 allenfalls Stagnation erwartet
Die Prognosen für die deutsche Wirtschaft wurden zuletzt reihenweise gesenkt. Der Sachverständigenrat («Wirtschaftsweise») erwartet 2025 nur noch eine Stagnation der heimischen Wirtschaft - ebenso wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die EU-Kommission.
2026 könnte wieder etwas Wachstum bringen: Der Sachverständigenrat rechnet dann mit einem Plus von 1,0 Prozent. Die geplanten Milliardenausgaben des Bundes für Verteidigung und Infrastruktur dürften nach Einschätzung von Ökonomen die Wirtschaft ankurbeln.
Hoffnung auf Reformen und Lösung im Zollstreit
Eine Entspannung im Zollstreit mit den USA und Reformen könnte die Wirtschaft zudem in Schwung bringen. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sah zuletzt nach Gesprächen im Kreis der sieben grossen Industriestaaten (G7) positive Signale im Zollstreit.
Die Wirtschaft setzt darüber hinaus auf Reformen der neuen Bundesregierung. Das Bundeskabinett wird nach Worten von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) bis Mitte Juli ein erstes Entlastungspaket für Unternehmen auf den Weg bringen. Enthalten sein sollen demnach eine Senkung der Stromsteuer und erste Arbeitsmarktreformen.
(AWP/Reuters)