Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht bei den Zinssenkungen auf die Bremse. Der Leitzins wurde an der geldpolitischen Sitzung am Donnerstag nach sechs Senkungen in Folge nicht angetastet. Der Entscheid war am Markt so erwartet worden.

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank

«Der Leitzins dürfte an seinem vorläufigen Tief angelangt zu sein. Mittelfristig dürften wieder Zinsanstiege und nicht etwa Leitzinsreduktion auf dem Programm stehen. Wie die Stimmungslage innerhalb des SNB-Direktoriums ist, wird ab dieser geldpolitischen Lagebeurteilung transparenter werden. Die SNB wird im Nachgang ihrer zweitätigen Sitzung eine Zusammenfassung ihrer geldpolitischen Diskussionen veröffentlichten.»

Burak Er, CFA, Head Research & Advisory Solutions smzh

«Die US-Zölle bremsen die Schweizer Konjunktur spürbar, und sinkende Importpreise dürften die Inflation erneut unter null drücken. Damit wächst der Druck auf die SNB, geldpolitisch gegenzusteuern. Doch akuter Handlungsbedarf besteht aktuell nicht. Der heutige Entscheid signalisiert vielmehr, dass wir noch länger in einem Tiefzinsumfeld bleiben werden. Auch die langfristigen Zinsen dürften sich weiter gegen null bewegen. Für Immobilienbesitzerinnen und -besitzer ebenso wie für Investoren ist dies ein ausgesprochen attraktives Szenario. Für Sparer hingegen sind die höheren Zinsen schon wieder vorbei, kaum waren sie da.»

Santosh Brivio, Ökonom Migrosbank

«Für die Schweizerische Nationalbank bleibt der Handlungsspielraum beschränkt, in welchem sie über die Geldpolitik den Aussenwert des Frankens massgeblich abschwächen könnte. Wir erwarten daher, dass die SNB auch im Dezember auf eine – letztlich – symbolische – Zinssenkung verzichten wird, die zudem die bekannten Kollateralschäden bei den Immobilienpreisen, Sparguthaben und Vorsorgen verursachen. Die SNB bevorzugt auch weiterhin Pragmatismus gegenüber unnötiger Hyperaktivität.»

Philipp Burckhardt, Fixed Income Stratege und Portfolio Manager bei Lombard Odier IM

«Wie erwartet hat die SNB den Leitzins in der heutigen Lagebeurteilung unverändert belassen. Nachdem noch im Juni besonders die fehlende Inflation die damalige Zinssenkung mitbegründet hat, waren die letzten Monate für die SNB in diesem Zusammenhang erfreulich. Die Preise haben sich nämlich wieder leicht nach oben bewegt. Ebenfalls war der Schweizer Franken, trotz des US Zoll-Schocks, weniger volatil als noch im Vorquartal. Insgesamt kann man sagen, dass mehr Unsicherheit auf der Wachstumsseite bei ansteigender Inflation der SNB aktuell genügend Gründe gibt, mit einer weiteren Leitzinsveränderung abzuwarten. Wir erwarten auf mittlere Sicht keine Negativzinsen und sehen die Hürden dafür als relativ hoch, unter anderem auch aufgrund der diesbezüglich wiederholten Kommentare des SNB-Präsidenten Martin Schlegel. Mit Spannung wird die SNB neuerdings in vier Wochen die Zusammenfassung ihrer geldpolitischen Diskussionen veröffentlichen. Diese erweiterte Kommunikation liegt im internationalen Trend und sollte besser zum Verständnis des heutigen Entscheids beitragen.»

Karsten Junius, Chefökonom Bank J. Safra Sarasin

«Wir teilen die Ansicht der SNB, dass die Beibehaltung des Leitzinssatzes derzeit angemessen ist. Die Geldpolitik ist bereits expansiv, die Wirtschaft befindet sich nicht in einer Rezession und die Inflationsrate liegt nicht im negativen Bereich. Eine weitere Zinssenkung war daher nicht notwendig. Es dürften keine weiteren Zinssenkungen in Zukunft folgen und erwarten einen unveränderten Leitzins in den nächsten zwei Jahren. Das Kreditwachstum beschleunigt sich bereits und die Immobilienpreise steigen. Die Wirtschaft benötigt keine weiteren Anreize; die expansive Geldpolitik zeigt bereits Wirkung. Natürlich bestehen Risiken, da der Wechselkurs real bereits überbewertet ist. Sollte der Wechselkurs real und handelsgewichtet um weitere 5 Prozent steigen, bestünden wieder negative Inflationsraten. Und natürlich weiss niemand, welche Schritte die US-Regierung in Bezug auf Zölle als Nächstes unternimmt. Sollte die SNB den Leitzins erneut senken, dann sollte sie unserer Meinung nach um 50 Basispunkte senken, falls ein signifikanter Schock dies rechtfertigt. Angesichts der neuen Inflationsprognose, die nun einen Endwert von 0,8 Prozent statt 0.7 Prozent wie im Juni zeigt, ist es jedoch wahrscheinlicher, dass die SNB den Leitzins als Nächstes anhebt.»

Daniel Hartmann, Chefökonom Bantleon 

«Wir stimmen mit der SNB darüber überein, dass es aller Voraussicht nach nicht zu einem Absturz der Schweizer Wirtschaft kommen wird. Dagegen spricht, dass in den nächsten Monaten zunehmend aus den europäischen Nachbarländern Rückenwind für den Schweizer Export kommen dürfte – wegen der dortigen expansiven Fiskalpolitik. Darüber hinaus sollte die Schweizer Binnennachfrage den robusten Trend der vergangenen Jahre fortsetzen. Der Druck auf die SNB, den Leitzins zu senken, wird daher in den nächsten Monaten nachlassen. Wir rechnen in Anbetracht dessen über die kommenden zwölf Monate mit einem unveränderten Leitzins von 0,00 Prozent. Der Weg zu erneut positiven Leitzinsen dürfte indes beschwerlich werden. Die Schweiz kämpft weiter mit deflationären Tendenzen und die Industrie steht mit dem US-Strafzöllen sowie dem starken Schweizer Franken vor riesigen Herausforderungen. Es sieht somit so aus, als ob die Schweiz für längere Zeit im Nullzinsumfeld gefangen bleibt und entsprechend auch Schweizer Sparer weiter mit niedrigen Renditen am Anleihenmarkt und Nullzinsen auf den Bankkonten konfrontiert sind.»

Philipp Merkt, CIO PostFinance

«Die massive Zollbelastung der Exportindustrie auf dem wichtigen Absatzmarkt USA dürfte das Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen spürbar verlangsamen. Parallel dazu stehen aufgrund des erneut gesunkenen Referenzzinssatzes weitere Mietsenkungen bevor. Auch bei anderen administrierten Preisen, wie beispielsweise Strom, sind zu Jahres- beginn 2026 Anpassungen nach unten zu erwarten. All dies sind Faktoren, die zusätzlichen Abwärtsdruck auf die Inflation ausüben und die SNB zu einer weiteren Zinssenkung bewegen könnten.»

Thomas Rühl, CIO Schwyzer Kantonalbank

«Die SNB hat die Zinsen, wie vom Markt erwartet, unverändert bei null gelassen. Unser Credo bleibt: Negativzinsen bleiben aufgeschoben, nicht aufgehoben. Das Deflationsrisiko hat sich jüngst etwas entschärft. Die Inflation stieg im August auf 0.2 Prozent im Vorjahresvergleich. Dennoch sind für uns die Deflationsrisiken noch nicht vom Tisch. Erstens belässt die SNB ihre bedingte Inflationsprognose mittelfristig unverändert. Zweitens betont die SNB die weltweiten aber auch insbesondere für die Schweiz die eingetrübten Wachstumsaussichten aufgrund des US-Zollhammers. Die SNB betont seit Dezember 2024, dass das Instrument der Negativzinsen bei Bedarf für den Wechselkurs bedeutend bleibt. Mit Negativzinsen könne man in einem Tiefzinsumfeld die Zinsdifferenz bei Bedarf so steuern, dass der Schweizer Franken gegenüber anderen Währungen nicht übermässig aufwertet. Dies auch vor dem Hintergrund weltweit aber insbesondere auch in Europa ansteigende Schuldenstände. Gemäss unserer Einschätzung dürften die "Safe Haven"-Effekte für den Schweizer Franken wieder in den Vordergrund rücken. Unserer Ansicht nach bleibt die Wahrscheinlichkeit von Negativzinsen bis zum Jahresende daher hoch.»

Thomas Daniel Marti
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