Waren und Dienstleistungen verteuerten sich in der Eurozone um durchschnittlich 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit diesem Rückgang gerechnet, nachdem die Teuerungsrate im September auf 2,2 Prozent gestiegen war. In ersten Reaktionen hiess es dazu:

Jörg Krämer, Chefökonom Commerzbank:

«Auf den ersten Blick ist das Inflationsproblem im Euroraum gelöst. Aber ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel sind die Verbraucherpreise in den letzten drei Monaten wieder stärker gestiegen, als mit dem EZB-Ziel von zwei Prozent vereinbar ist. Die hartnäckige unterliegende Inflation spricht dagegen, dass die EZB ihre Leitzinsen weiter senkt.»

Alexander Krüger, Chefökonom Hauck Aufhäuser Lampe:

«Bei der Inflation stimmt es insgesamt, nur kleinere Schönheitsfehler bestehen noch. Das betrifft etwa die Kerninflation, ohne dass dies grössere Sorgen hervorruft. Das aktuell preisstabile Umfeld wird auch in den nächsten Monaten anhalten. Die Gesamtinflationsrate wird mal knapp über 2,0 Prozent und mal knapp darunter liegen. Dabei sind die Inflationsrisiken ausgeglichen. Für die EZB wird es weiter 'Mission erfüllt' heissen, Handlungsbedarf besteht nicht. Der Einlagesatz dürfte für längere Zeit bei 2,0 Prozent verharren. Für eine Zinssenkung bedarf es wohl vor allem einer deutlich schwächeren Konjunktur.»

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank: 

«Mit dem schnelleren Preisanstieg im Bereich von Dienstleistungen verändert sich entgegen den Erwartungen die Kerninflationsrate nicht. Sie bleibt bei 2.4 Prozent. Die Mehrheit der von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Volkswirte erwartete einen moderaten Rückgang. Auch mit Blick auf die Entwicklung in den Nationalstaaten bestätigt sich das Bild einer nur geringen Veränderung der Preisentwicklung. Große Sprünge nach oben oder unten sind in den großen Volkswirtschaften der Eurozone nicht auszumachen.

Christine Lagarde war auf der gestrigen EZB-Pressekonferenz tiefenentspannt. Die Notenbanker sind mit der aktuellen geldpolitischen Ausrichtung derzeit äußerst zufrieden. Das heute vorgelegte Zahlenwerk zur Inflationsentwicklung dürfte die Währungshüter bestätigen. Die Notwendigkeit zum Handeln besteht nicht. Die Teuerungsrate liegt in der Nähe des EZB-Ziels von 2 Prozent bei gleichzeitig ausgewogenen Wachstumsrisiken.»

Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa, DWS

«Die Inflationsentwicklung in der Eurozone ist zweigeteilt. So ging der Anstieg der Lebenshaltungskosten im Oktober auf 2,1 Prozent zurück, nachdem er im September noch bei 2,2 Prozent gelegen hatte. Dabei machten sich der Rückgang der Energiepreise um 1,0 Prozent und der verlangsamte Anstieg der Nahrungsmittelpreise positiv bemerkbar. Diese stiegen im Oktober nur noch um 2,5 Prozent, nachdem der Preisanstieg in den Vormonaten kontinuierlich über der 3-Prozent-Marke lag.

Die Entwicklung der Kernrate bleibt hingegen problematisch. Bereits den zweiten Monat in Folge lag sie bei 2,4 Prozent, nachdem sie sich in den Sommermonaten auf 2,3 Prozent abgeschwächt hatte. Erneut waren es die Dienstleistungspreise, die sich um 3,4 Prozent verteuerten und damit ausschlaggebend für den Anstieg der Kernrate waren. Knappheit an Arbeitskräften und Lohnsteigerungen in einigen Ländern scheinen dabei nach wie vor treibende Faktoren zu sein. In den kommenden Monaten rechnen wir mit einem weiteren leichten Rückgang der Inflation. Insgesamt bestätigen die heutigen Zahlen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) aktuell gut positioniert ist.»

Daniel Hartmann, Chefökonom Bantleon:

«Alles in allem gehen wir davon aus, dass die Kerninflation 2026 bestenfalls temporär - zur Jahresmitte - die zwei-Prozent-Marke erreicht, dann aber wieder nach oben abprallt. Die von uns prognostizierte konjunkturelle Erholung in der Eurozone sorgt mithin mittelfristig wieder für steigenden Teuerungsdruck. Ende 2026 sehen wir die Kerninflation daher erneut erkennbar über 2,0 Prozent. Damit liegen wir deutlich über der Prognose der EZB. Sie rechnet über die nächsten zwölf bis fünfzehn Monaten mit einem kontinuierlichen Absinken der Kerninflation in Richtung 1,7 Prozent. Aus unserer Sicht dürfte die Projektion jedoch im Rahmen der kommenden Sitzungen nach oben korrigiert werden. Dies ist ein weiterer Grund dafür, die Leitzinsen nicht unter das neutrale Niveau von 2,00 Prozent abzusenken.»

(Reuters/cash)