Die Schweizer Wirtschaft dürfte ihr Wachstumspotential 2024 wieder nicht ausschöpfen. Das wäre dann nach einem schwachen 2023 bereits das zweite Jahr in Folge mit einem unterdurchschnittlichen Wachstum.

Das zu Ende gehende Jahr war geprägt von zwar rückläufiger, aber weiter hoher Inflation und entsprechenden Zinserhöhungen der Notenbanken vor allem in der ersten Jahreshälfte. Ausserdem kam neben dem anhaltenden Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Oktober mit dem Überfall der Hamas auf Israel ein weiterer geopolitischer Gefahrendherd dazu.

In diesem schwierigen Umfeld hat sich die Schweiz zuletzt noch einigermassen gut gehalten, während sich etwa der wichtige Handelspartner Deutschland seit einiger Zeit am Rande einer Rezession bewegt. Auch wenn die Zahlen erst Ende Februar veröffentlicht werden, so gehen Expertinnen und Experten im Durchschnitt davon aus, dass das reale Schweizer Bruttoinlandprodukt 2023 zumindest knapp 1 Prozent erreicht hat.

Aus heutiger Sicht bzw. nach Einschätzung von Experten dürfte 2024 dann zwar etwas besser ausfallen, das langfristige Potentialwachstum in der Grössenordnung von gegen 2 Prozent wird aber wohl wieder nicht erreicht werden. Von der Nachrichtenagentur AWP befragte Ökonomen schätzen im Durchschnitt ein reales BIP-Wachstum von rund 1,2 Prozent, wobei die tiefsten Schätzungen bei 0,8 Prozent und die höchsten bei 2,0 Prozent liegen.

Verhaltene Auslandnachfrage

Etwas verzerrt werden die Zahlen 2024 durch sportliche Grossereignisse wie die Sommerolympiade in Paris oder die Fussball-Europameisterschaft in Deutschland. Das IOC und die UEFA als Organisatoren dieser Anlässe haben bekanntlich ihren Hauptsitz in der Schweiz, so dass die entsprechenden Lizenzeinnahmen die hiesige Wachstumsrate etwas nach oben drücken werden.

Werden diese Ereignisse herausgerechnet, ergibt sich das sogenannte sportevent-bereinigte BIP-Wachstum. Dieses wird zumeist knapp einen halben Prozentpunkt tiefer geschätzt. Zu den insgesamt eher vorsichtigen Stimmen für das kommende Jahr gehört die Schweizerische Nationalbank (SNB). Das Wachstum dürfte in den nächsten Quartalen schwach ausfallen, sagte SNB-Präsident Thomas Jordan erst kürzlich im Rahmen der geldpolitischen Lagebeurteilung.

Dämpfend wirkten sich vor allem die verhaltene Nachfrage aus dem Ausland und die strafferen Finanzierungsbedingungen, sprich die höheren Zinsen, aus. Entsprechend dürfte die Arbeitslosigkeit weiter leicht steigen und sich die Auslastung der Produktionskapazitäten weiter zurückbilden.

Gemäss den Expertinnen und Experten des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) dürfte vor allem die verhaltene Dynamik im Euroraum nächstes Jahr die exponierten Bereiche der hiesigen Exportwirtschaft bremsen. Angesichts einer sinkenden Auslastung und höherer Finanzierungskosten würden sich wohl auch die Investitionen nur schwach entwickeln.

Dagegen dürfte der private Konsum ein wichtiger stützender Faktor bilden, zumal die Beschäftigung weiter leicht steigen und sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Grenzen halten dürfte.

Geopolitische Risiken

Sowohl die SNB wie auch das Seco betonen allerdings die grossen Risiken ihrer Prognose. Dies betrifft vor allem die Entwicklung der Weltwirtschaft, die für eine kleine offene Volkswirtschaft wie die Schweiz ein zentraler Wachstumsfaktor ist.

Gemäss den SNB-Szenarien könnte etwa die Inflation in einigen Ländern erhöht bleiben und dort eine weitere Straffung der Geldpolitik notwendig machen, ebenso könnte sich die Energiesituation in Europa im Laufe des Winters verschärfen. Das Seco betont derweil vor allem auch die geopolitischen Risiken, die sich mit dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts im Nahen Osten verschärft haben.

Eine Eskalation hier - etwa mit unterbrochenen Lieferketten im Roten Meer - könnte mit steigenden Erdölpreisen und entsprechend steigenden Inflationsraten einhergehen, heisst es. Durch eine entsprechend restriktivere Geldpolitik würde dann die Nachfrage weiter gebremst.

Eine deutlich optimistischere BIP-Prognose als die anderen Auguren hat einzig die ZKB. Deren Chefökonom Schweiz, David Marmet, schätzt nämlich ein reales BIP-Wachstum von 2 Prozent für das kommende Jahr und nennt dafür einige Gründe. So seien etwa die Wachstumsbeiträge der nicht-konjunktursensitiven Sektoren wie Goldhandel, Transithandel oder Pharma hoch.

Dazu geht er erneut von einem dynamischen Bevölkerungswachstum aus - nach rund 150'000 Personen 2023 erwartet er für 2024 erneut mehr als 100'000 zusätzliche Personen. Und nicht zuletzt habe das Bundesamt für Statistik (BFS) in den vergangenen Jahren die Zahlen des Seco im Nachhinein nach oben revidiert, woran sich seiner Meinung nach auch in Zukunft nicht viel ändern dürfte.

(AWP)