An den Finanzmärkten gilt, dass sinkende Zinsen zu steigenden Aktienkursen führen und umgekehrt. Im aktuellen Zyklus ist das aber nicht der Fall. Seit Jahresbeginn sind die Renditen der 10-jährigen US-Treasuries um 13 Prozent von 3,84 Prozent auf 4,34 Prozent angestiegen - demnach hätte der S&P 500 gemäss Lehrbuch sinken sollen, weil die höheren Zinskosten die Gewinne der Unternehmen drücken. Das ist nicht passiert und der S&P 500 hat im Jahresverlauf um 16 Prozent zugelegt.
Dies ist hauptsächlich der guten US-Konjunktur geschuldet, welche sich trotz rekordhoher Zinserhöhungen und einer Bankenkrise im März deutlich besser entwickelt hat als von den Marktauguren erwartet. Daniel Ivascyn, Chief Investment Officer von PIMCO, glaubt deshalb, dass die US-Aktienmärkte selten so teuer gewesen sind. Das gilt auch für den S&P 500 Index, selbst wenn die magischen sieben Technologie-Aktien ausgeschlossen werden. Zwar haben die Themen Künstliche Intelligenz, Energie-Transition, Reshoring in diesem Jahr den Aktienmarkt in die Höhe gepusht. Allerdings sind diese Faktoren nicht stark genug, damit dies das zukünftige Wirtschaftswachstum und somit die Aktienmärkte stark stimulieren würde. Deshalb bleibt Ivascyn zurückhaltend gegenüber Aktien.
Die Attraktivität von Obligationen lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Aktuell beträgt die real zyklisch angepasste Risikoprämie für US-Aktien rund 1,5 Prozent, während 2-jährige amerikanische Staatsanleihen eine Rendite von 5,02 Prozent abwerfen. Bei einer realen Rendite von 1,32 Prozent - aktuelle Rendite von 5,02 Prozent abzüglich der Inflationsrate von 3,7 Prozent - spricht dies für Obligationenanlagen.
Eine weitere Herausforderung für die Finanzmärkte ist, dass die US-Wirtschaft trotz aktueller Wachstumsstärke noch nicht aus dem Schneider ist. Für Pimco dürfte die Konjunkturabschwächung allerdings erst später - sprich in den nächsten 12 bis 18 Monaten zum Thema werden. Entsprechend sei Vorsicht angebracht. Denn auch das Inflationsthema muss noch nicht zwingend erledigt sein, da das Lohnwachstum in den USA weiterhin sehr hoch ist. Diese Sichtweise sei unter anderem der Zuversicht der Nationalbanken geschuldet, weil diese behaupten, dass die Inflation unter Kontrolle sei und mittelfristig wieder auf den Zielwert von 2 Prozent sinken werde. Das könne den Aufwärtsdruck bei den Renditen noch verstärken.
Deshalb ist auch bei den Obligationen der kurzfristige Ausblick noch etwas durchzogen. Allerdings dürfte sich ein allfälliger weiterer Anstieg der Obligationenrenditen nun deutlich verlangsamen und nicht mehr die Dynamik der letzten 18 Monate erreichen, erläutert Ivanscyn. «Das aktuelle Niveau der Renditen für US-Bonds kann im historischen Vergleich über die letzten Jahrzehnte deshalb als attraktiv bezeichnet werden.»
US-Rezession könnte Bild schlagartig ändern
Wie attraktiv Obligationen geworden sind, zeigt auch ein Blick auf die Obligationen am Schweizer Markt. So bringen ABB-Anleihen eine Rendite von 4 Prozent, welche deutlich über der aktuellen Dividendenrendite der Aktie von 2,54 Prozent liegt. Diese höheren Renditen haben in den letzten Wochen auch zu einem starken Interesse unter privaten wie institutionellen Investoren an Schweizer Unternehmensanleihen geführt.
Warnzeichen für die Aktienmärkte macht Pimco auch bei den gehebelten Bilanzen der US-Unternehmen aus. Zwar ist der Markt für Anleihen von Firmen mit hoher Verschuldung derzeit noch sehr resilient und unterstützt die positive Entwicklung an den Aktienmärkten. So sind die Renditeaufschläge für Firmen mit schlechterer Kreditqualität noch nicht angestiegen, obwohl es für Unternehmen weniger einfach ist, sich nach den stark gestiegenen Zinsen am Kapitalmarkt zu refinanzieren.
Sollte die US-Wirtschaft in eine Rezession geraten, könnte sich das Bild aber schlagartig ändern. Entsprechend wäre das Potenzial gross, dass Firmen mit einer schwachen Bilanz und ungenügendem Cashflow unter die Räder geraten könnten. Pimco empfiehlt auf Anleihen und Aktien von Firmen zu setzen, die einen soliden Cashflow aufweisen und auch in einer Stresssituation den finanziellen Verpflichtungen nachkommen können.
Die Banken und der Finanzsektor sind für einen Abschwung aber gut aufgestellt. Einzig ein massiver ökonomischer Schock wäre ein grösseres Problem. Das zeichne sich aber derzeit nicht ab, hält Ivascyn fest. Interessanterweise sind die Bondmanager von Pimco auch bei Investments im Bereich Künstlicher Intelligenz nicht abgeneigt. Die Fondsmanager kaufen die aus ihrer Sicht attraktiven Obligationenanleihen von Data-Center-Dienstleistungsanbietern, welche KI-Dienstleistungen in ihrem Angebot integriert haben.
Der Artikel entstand anlässlich einer von Pimco organisierten Medienkonferenz in London