Die Luft für weitere Kursgewinne dürfte in der neuen Woche dünner werden. Mit Beginn des Sommermonats Juli bergen die üblicherweise abnehmenden Handelsumsätze die Gefahr grösserer Kursausschläge. Den grundlegenden Optimismus der Börsianer könnten neue Zollschocks oder der Bruch der Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran erschüttern. Die Unsicherheit rund um mögliche Handelsabkommen der USA mit der Schweiz, China oder Europa dürfte mit dem Ablauf von Schonfristen zunehmen.
Bislang gibt es kaum Fortschritte bei der Festlegung gemeinsam vereinbarter Abgaben, was die Sorge schürt, wie lange die Märkte beim Thema Handelsrisiken noch abwartend bleiben werden. «Wenn wir weiterhin so blasiert mit diesem Risiko umgehen, wird es verlockender, nach Absicherung gegen dieses Ereignis (im Juli) zu suchen», sagt Chris Jeffery, Leiter der Multi-Asset-Strategie beim britischen Investor LGIM.
In der ablaufenden Woche nahm der Swiss Market Index (SMI) wieder Kurs auf die 12'000-Punkte-Marke, rückte insgesamt um 0,9 Prozent vor und schloss am Freitag bei 11'980 Punkten. Unterdessen sind die Anleger an der Wall Street wieder in Stimmung gekommen. Der Dow Jones legte um 1,00 Prozent auf 43'819,27 Punkte zu, womit er auf Wochenbasis ein Plus von 3,8 Prozent erzielte.
Für den marktbreiten S&P 500 ging es um 0,52 Prozent auf 6'173,07 Zähler hoch. Nachdem er am Donnerstag an seiner etwas mehr als vier Monate alten Bestmarke gescheitert war, gelang ihm nun der Sprung auf ein Rekordhoch. Die technologielastigen Nasdaq-Indizes erreichten ebenfalls Höchststände. Der Auswahlindex Nasdaq 100, der zeitweise über 22'600 Punkte geklettert war, beendete den Freitag mit einem kleinen Plus von 0,39 Prozent bei 22'534,20 Punkten. Im Wochenverlauf steht ein Plus von 4,2 Prozent zu Buche.
«Anleger in deutschen Aktien können voraussichtlich auf das beste erste Halbjahr seit 2007 zurückblicken», fassen die Analysten der LBBW zusammen. «Die Börse hat damit den sich abzeichnenden Konjunkturaufschwung vorweggenommen.» Erfahrungsgemäss werde es danach aber schwieriger. «Die Zinssenkungen der EZB gehen zu Ende, das Kapital wird wieder in der Realwirtschaft benötigt, und der Staat konkurriert ebenfalls um die Gelder der Anleger.»
Am Donnerstag stehen die Protokolle der vergangenen Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) auf dem Plan, die Anleger auf Zinssignale scannen werden. Die EZB-Währungshüter hatten Anfang Juni zum siebten Mal in Folge die Zinsen gesenkt. Sie entscheiden am 24. Juli wieder über den geldpolitischen Schlüsselsatz.
An den Terminmärkten wird damit gerechnet, dass sie eine Pause einlegen und den Leitzins bei 2,0 Prozent belassen. Zudem kommen auf dem jährlichen Geldpolitik-Forum der Europäischen Zentralbank (EZB) im portugiesischen Sintra von Montag bis Mittwoch Notenbanker und Akademiker aus aller Welt zusammen, um über die Inflationsentwicklung und den Zinskurs zu diskutieren.
US-Arbeitsmarktbericht und Fed-Nachfolge im Fokus
Gegenwind droht dem Aktienmarkt aus den USA, denn die hohen Strafzölle sind noch nicht vom Tisch. Am Freitag bleibt die Wall Street wegen des US-Nationalfeiertages geschlossen, weswegen die Veröffentlichung des US-Arbeitsmarktberichtes auf den Donnerstag vorgezogen wird.
«Hier wird spannend, ob es Anzeichen dafür gibt, dass die Unternehmen auf die gestiegene politische Unsicherheit mit weniger Einstellungen oder gar Entlassungen reagieren», sagt Helaba-Strategin Claudia Windt. Der Jobmarkt hatte sich im Mai nur leicht abgeschwächt, was Experten zufolge für konstante Leitzinsen sprach. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte im Juni die Füsse dann auch stillgehalten: Die Währungshüter um Jerome Powell beliessen den geldpolitischen Schlüsselsatz in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent.
US-Präsident Donald Trump, der immer wieder eine lockerere geldpolitische Linie von der unabhängigen Fed einfordert, gefällt die vorsichtige Gangart nicht. Medienberichten zufolge ist er bereits auf der Suche nach einem Nachfolger für den im kommenden Jahr aus dem Amt scheidenden Powell.
«Präsident Trump fordert drastische Zinssenkungen und hält Powells Weigerung für 'unamerikanisches' Verhalten, und je länger die Zolleffekte nicht zu erkennen sind, desto grösser dürfte der Druck werden», sagen die Commerzbank-Ökonomen. Bei den in der Woche anstehenden ISM-Indikatoren aus den USA dürften laut Experten keine grossen Überraschungen anstehen. «Im Kern ist der Einkaufsmanagerindex der zentrale Frühindikator für die Konjunktur – und er zeigt bislang keine abrupte Verschlechterung der Lage an», sagt Windt.
Tatsächlich dauere es, laut Powell «einige Zeit», bis die Zolleffekte in den Realwirtschaftsdaten zu sehen seien, heisst es bei der Commerzbank. Im zweiten Halbjahr seien die Auswirkungen wohl deutlicher erkennbar. «Wir rechnen weiterhin mit einer Zinssenkung erst im September und erwarten danach vorsichtige und langsame Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte im Dreimonatsrhythmus», heisst es bei der Commerzbank.
In der Schweiz stellt am Montag das KOF das Konjunkturbarometer für Juni vor und die Schweizerische Nationalbank das Volumen der Devisenmarkt-Interventionen im ersten Quartal 2025. Am Dienstag publiziert das Bundesamt für Statistik die Detailhandelsumsätze vom Mai. Ebenso stehen der Einkaufsmanager-Index für Mai auf dem Programm, das Länderexamen Schweizer des IWF und der Investorentag von Cosmo. Am Donnerstag folgt der mit Spannung erwartete Landesindex der Konsumentenpreise (LIK), der über die hiesige Teuerung im Juni Auskunft gibt.
(Reuters/cash)