Es ist die Vier-Milliarden-Franken-Frage. Oder auch die Neun-Milliarden-Franken-Frage, je nachdem wie man rechnet. Wie die Credit Suisse das Kapital für die Neuaufstellung aufbringen wird, mit der sie das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen will - und natürlich wieviel sie braucht: Das sind die wichtigsten von vielen Fragen, die die Bank in den letzten Tagen vor der Präsentation der neuen Strategie beschäftigen.
Bestätigt wurden nur kleinere Massnahmen. Die Bank sucht offiziell einen Käufer für die gesamte oder einen Teil ihrer lukrativen, aber kapitalintensiven Sparte für verbriefte Produkte, und sie sucht einen Käufer für das fast 200 Jahre alte Luxushotel Savoy im Herzen von Zürich. Es gab einige kleinere Veräusserungen, etwa eines Anteils an der Fintech-Firma Allfunds Group.
Darüberhinaus bleibt vieles ungewiss.
Kann eine Kapitalerhöhung abgewendet werden?
Analysten sind geteilter Meinung darüber, ob Verkäufe ausreichen werden, um die Kosten zu decken, oder ob sich die Zürcher Grossbank erneut an Investoren wenden muss, die bereits 12 Milliarden Franken nachgeschossen haben, seit 2015 die ersten Sanierungsmassnahmen begannen. Analysten der Citigroup sind der Meinung, dass eine Kapitalerhöhung in Höhe von 4 Milliarden Franken eingepreist ist.
Die Geschäftsleitung unter Ulrich Körner durchforstet jeden Winkel des Unternehmens. Verkauft werden könnte das lateinamerikanische Wealth Management, das US Asset Management oder Kernbereiche der Investmentbank. Aber wofür Käufer gefunden werden können und welche Struktur in Frage kommt - vollständiger oder teilweiser Verkauf, eine Abspaltung oder Buyout - und ob dies ausreicht, um eine Kapitalerhöhung abzuwenden, ist weniger als eine Woche vor dem Termin unklar.
Selbst eine Kapitalspritze könnte verschiedene Formen annehmen. Dass ein Investor Geld direkt in eine ausgegliederte Investmentbank steckt, ist eine Option, die geprüft wird. Ein Verkauf neuer Aktien würde bei den derzeitigen Kursen zu einer massiven Verwässerung führen, weshalb die Credit Suisse auch Vorzugsaktien oder Wandelanleihen in Betracht zieht - letzteres ein Instrument, das sie bereits im vergangenen Jahr eingesetzt hat. Royal Bank of Canada und Morgan Stanley beraten bereits zu diesen Themen.
Schätzungen über den Kapitalbedarf variieren stark
"Ein Kapitalloch von 6 Milliarden Franken muss gestopft werden, um den Bankbetrieb zu restrukturieren, die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, Wachstum zu unterstützen und einen Puffer gegen unbekannte Risiken zu schaffen", schreiben die Analysten von Keefe Bruyette & Woods. "Wir glauben nicht, dass dies allein durch den Verkauf von Vermögenswerten möglich ist, schon gar nicht im aktuellen Umfeld."
Die Schätzungen variieren allerdings stark. Die Analysten von Goldman Sachs gehen davon aus, dass eine Lücke von mindestens 4 Milliarden Franken geschlossen werden muss, wobei der Betrag bis 2024 auf das Doppelte ansteigen könnte. Flora Bocahut von Jefferies ist der Ansicht, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren rund 9 Milliarden Franken gebildet werden müssen, erwartet aber dass die Bank das vorrangig über Verkäufe abdecken wird.
Ein Sprecher der Bank sagte, die Credit Suisse werde den Markt über ihre strategischen Pläne informieren, wenn sie am 27. Oktober die Ergebnisse des dritten Quartals vorlegt.
Sollte sie nötig werden, könnte das Geldhaus die intern mit dem Geheimcode "Projekt Ghana" versehene Kapitalerhöhung informierten Kreisen zufolge nach der Präsentation der neuen Strategie am 27. Oktober starten. Sollte der Startschuss für die Kapitalerhöhung kommen, würde es wahrscheinlich um ein Volumen von mindestens 2 Milliarden Franken anstreben, um die Restrukturierung und etwaige Betriebsverluste in den nächsten Jahren zu decken, während sie das Geschäft neu ausrichtet, heisst es.
Kommt Geld aus dem Nahen Osten?
Wie zu hören ist, hat sich die Credit Suisse bereits an den Staatsfonds von Katar und andere gewandt, um das Interesse an einer Kapitalspritze auszuloten. Investoren aus dem Nahen Osten haben oft in Zeiten der Not investiert, zuletzt etwa als die Kataris im April 2021 bei Wandelanleihen im Wert von 1,8 Milliarden Franken einstiegen, mit denen die Credit Suisse ihre Bilanz stützte.
Andere Staatsfonds aus dem Nahen Osten wie die Mubadala Investment aus Abu Dhabi und der saudi-arabische Public Investment Fund prüfen, ob sie Geld in eine möglicherweise ausgegliederte Investmentbanking-Sparte oder in andere Bereiche stecken wollen, heisst es.
Die Ausgliederung im Stil einer Boutique-Bank könnte die Beratung bei Übernahmen und Fusionen, Kapitalmarkt-Emissionen sowie Leveraged Finance umfassen und die Marke First Boston wiederbeleben.
Ein zweiter Teil der Investmentbank, die Sparte für verbriefte Produkte, könnte ebenfalls ausgegliedert und ganz oder teilweise verkauft werden. Für die Sparte mit risikogewichteten Aktiva von rund 20 Milliarden Dollar gibt es zahlreiche Interessenten. Ein Verkauf könnte Erleichterung auf der Kapitalseite und einen gewissen Barerlös bringen.
Ein Verkauf des US Asset Managements wäre wahrscheinlich leicht umsetzbar und könnte Interesse von Private-Equity-Firmen oder anderen Vermögensverwaltern wecken. Das altehrwürdige Savoy Hotel Baur en Ville am Paradeplatz in Zürich, wo auch die Credit Suisse residiert, wird derzeit renoviert und soll 2024 als Mandarin Oriental Savoy Zürich wiedereröffnet werden. Die Credit Suisse sucht offiziell nach einem Käufer; das Finanzblog Inside Paradeplatz schätzt den Wert des Gebäudes auf rund 400 Millionen Franken.
(Bloomberg)