Seit sechs Monaten befinden sich Israel und die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen im Krieg. Was mit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober auf Israel begann, ist einer der opferreichsten Kämpfe in einem seit sieben Jahrzehnten währenden Konflikt. Immer wieder wurde durch ihn der Nahe Osten destabilisiert, und auch heute droht eine Eskalation in der Region.

Was sind die Ursprünge des Konflikts?

In dem Konflikt stehen die Forderungen Israels nach einem sicheren Heimatland den unerfüllten Hoffnungen der Palästinenser auf einen eigenen Staat gegenüber. 1947, als Palästina noch unter britischer Mandatsherrschaft stand, beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) einen Plan zur Teilung des Landes in einen arabischen und einen jüdischen Staat. Jerusalem sollte international kontrolliert werden. Die jüdischen Seite akzeptierte den Plan und erhielt 56 Prozent des Territoriums. Die Arabische Liga lehnte den Vorschlag ab.

Israels Gründervater David Ben-Gurion proklamierte den Staat am 14. Mai 1948, einen Tag vor dem geplanten Ende der britischen Herrschaft. Damit wollte er einen sicheren Hafen für Juden schaffen, die vor Verfolgung flohen und einen eigenen Staat auf dem Territorium suchten, zu dem sie - nach eigener Darstellung - tiefe Verbundenheit bis zurück in die Antike hegten.

Die Gewalt zwischen Arabern, die Ende der 1940er Jahre etwa zwei Drittel der Bevölkerung in der Region ausmachten, und Juden verschärfte sich. Einen Tag nach der Gründung Israels griffen Truppen einer Allianz an, die fünf arabische Staaten gebildet hatten: Ägypten, Syrien, Jordanien, der Libanon und der Irak. Im darauf folgenden Krieg flohen etwa 700.000 Palästinenserinnen und Palästinenser oder wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Sie landeten in Jordanien, im Libanon und in Syrien, aber auch im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ostjerusalem. Bis heute beklagen die Palästinenser dies als Nakba - als Katastrophe. Israel bestreitet jedoch, dass es die Palästinenser vertrieben habe. Waffenstillstandsabkommen beendeten die Kämpfe 1949, einen formellen Frieden gab es allerdings nicht.

Welche grossen Kriege wurden seitdem geführt?

1967 führte Israel einen Präventivschlag gegen Ägypten und Syrien aus und begann den Sechstagekrieg. Israel eroberte das Westjordanland und Ostjerusalem von Jordanien, die Golanhöhen von Syrien und die Halbinsel Sinai sowie den Gazastreifen von Ägypten.

1973 führten Ägypten und Syrien einen Überraschungsangriff auf israelische Stellungen entlang des Suezkanals und der Golanhöhen aus. Damit begann der Jom-Kippur-Krieg, benannt nach dem jüdischen Versöhnungsfest, an dem der Angriff begann. Israel schlug beide Armeen innerhalb von drei Wochen zurück.

1982 marschierte Israel in den Libanon ein. Tausende Kämpfer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) unter Jassir Arafat wurden nach einer zehnwöchigen Belagerung über das Meer aus dem Libanon gebracht. Die israelischen Truppen zogen sich im Jahr 2000 aus dem Libanon zurück.

2005 zog Israel seine Soldaten und Siedler aus dem Gazastreifen ab. Die Hamas gewann dort 2006 die Parlamentswahl und übernahm 2007 nach einem kurzen Bürgerkrieg gegen die Fatah, die zuvor dort regiert hatte, die vollständige Kontrolle über den Gazastreifen. In dem Küstengebiet kam es 2006, 2008, 2012, 2014 und 2021 zu schweren Kämpfen zwischen militanten Palästinensern und Israels Militär.

Im Jahr 2006 nahmen die vom Iran unterstützten militanten Hisbollah-Kämpfer im Libanon in der instabilen Grenzregion zwei israelische Soldaten gefangen. Israel ergriff militärische Massnahmen, die einen sechswöchigen Krieg auslösten.

Neben den Kriegen kam es von 1987 bis 1993 und von 2000 bis 2005 zu zwei palästinensischen Intifadas, also Aufständen. Während des zweiten Aufstands verübten die Hamas und andere militante Gruppen Selbstmordattentate gegen Israelis. Das israelische Militär griff daraufhin palästinensische Städte mit Panzern und aus der Luft an.

Seither kam es zu etlichen Feindseligkeiten zwischen Israel und der Hamas. Die vom Iran unterstützte Organisation erkennt Israel nicht an und wird von Israel, der Europäischen Union, den USA und anderen Ländern als Terrororganisation angesehen. Die Hamas bezeichnet ihre bewaffneten Aktivitäten als Widerstand gegen die israelische Besatzung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Hamas als Befreiungsorganisation tituliert.

Welche Versuche für einen Friedensschluss gab es?

Im Jahr 1979 unterzeichnete Ägypten als erster arabischer Staat einen Friedensvertrag mit Israel, der die Rückgabe der Halbinsel Sinai an Ägypten vorsah.

1993 unterschrieben der israelische Ministerpräsident Jitzchak Rabin und PLO-Chef Arafat die Osloer Abkommen zur begrenzten palästinensischen Autonomie.

1994 schloss Israel einen Friedensvertrag mit Jordanien.

2000 nahmen US-Präsident Bill Clinton, der israelische Ministerpräsident Ehud Barak und Arafat am Gipfeltreffen in Camp David in den USA teil. Sie konnten jedoch kein endgültiges Friedensabkommen erzielen.

Im Jahr 2002 bot ein Plan der Arabischen Liga Israel normale Beziehungen zu allen arabischen Ländern an. Im Gegenzug sollte Israel sich aus den Gebieten zurückziehen, die es im Nahostkrieg von 1967 erobert hatte. Ein palästinensischer Staat sollte gegründet und eine «gerechte Lösung» für die palästinensischen Flüchtlinge sollte gefunden werden. Die Vorstellung des Plans wurde von einem Anschlag der Hamas überschattet, die während eines Pessach-Sedermahls ein israelisches Hotel voller Holocaust-Überlebender in die Luft sprengte.

Weitere palästinensisch-israelische Friedensbemühungen sind seit 2014 ins Stocken geraten.

Unter der Ägide von US-Präsident Donald Trump schloss Israel 2020 die als Abraham-Abkommen bekannten Vereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen mit mehreren arabischen Staaten, darunter den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko.

Die Palästinenser haben den Kontakt zur US-Regierung abgebrochen, nachdem Trump 2017 mit der jahrzehntelangen US-Politik gebrochen und Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hatte. Die Palästinenser streben Ostjerusalem als Hauptstadt ihres zukünftigen Staates an.

Katar und Ägypten fungieren im gegenwärtigen Krieg zwischen Israel und der Hamas als Vermittler. Sie erreichten eine siebentägige Waffenruhe im November 2023, in deren Verlauf von der Hamas festgehaltene Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in Israel ausgetauscht wurden. Zudem floss mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen.

Wie stehen die Friedensbemühungen heute?

Die Gespräche über eine weitere Waffenruhe im Gazastreifen blieben bislang ergebnislos. Israel betonte, es handele sich lediglich um Gespräche über eine vorübergehende Einstellung der Kämpfe. Die Hamas erklärte, sie werde ohne eine Einigung, die eine Beendigung des Krieges vorsieht, keine Geiseln freilassen.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat sich darauf konzentriert, einen «grossen Deal» im Nahen Osten zu erreichen, der eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien einschliesst. Die Regierung in Riad erklärte jedoch, dies würde Fortschritte bei der Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates erfordern. Das wiederum schliesst der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aus. Er führt eine Koalition, der rechtsradikale und ultra-orthodoxe Parteien angehören. Mit einer Regierung, die so weit rechts steht wie keine vor ihr, ist eine Zwei-Staaten-Lösung nicht vorstellbar.

Was sind die wichtigsten Streitpunkte?

Die grössten Streitpunkte sind eine Zwei-Staaten-Lösung, israelische Siedlungen auf besetztem palästinensischem Land, der Status Jerusalems, vereinbarte Grenzen und das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge.

Zwei-Staaten-Lösung: Hier geht es um ein Abkommen, das neben Israel einen Palästinenser-Staat im Westjordanland und im Gazastreifen schaffen würde. Netanjahu steht auf dem Standpunkt, dass Israel die Sicherheitskontrolle über das gesamte Land westlich des Flusses Jordan haben müsse. Das würde einen souveränen palästinensischen Staat ausschliessen.

Siedlungen: Die meisten Länder und die Vereinten Nationen betrachten jüdische Siedlungen auf Land, das Israel 1967 besetzt hat, als illegal. Israel bestreitet dies und verweist auf historische und biblische Verbindungen zu dem Gebiet. Der anhaltende Siedlungsbau ist eines der umstrittensten Themen zwischen Israel, den Palästinensern und der internationalen Gemeinschaft.

Jerusalem: Die Palästinenser wollen, dass Ostjerusalem, zu dem auch die Altstadt mit ihren heiligen Stätten für Muslime, Juden und Christen gehört, die Hauptstadt ihres Staates wird. Israel dagegen erklärt, Jerusalem solle seine «unteilbare und ewige» Hauptstadt bleiben. Israels Anspruch auf den Ostteil Jerusalems wird international nicht anerkannt. Trump erkannte Jerusalem als Hauptstadt Israels an und verlegte 2018 die US-Botschaft dorthin.

Flüchtlinge: Heute leben etwa 5,6 Millionen palästinensische Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon, in Syrien, im von Israel besetzten Westjordanland und im Gazastreifen. Sie sind hauptsächlich Nachkommen derjenigen, die 1948 im Zuge der Nakba flohen. Etwa die Hälfte der registrierten Flüchtlinge ist nach Angaben des palästinensischen Aussenministeriums staatenlos, viele leben in überfüllten Lagern. Die Palästinenser fordern schon lange, dass den Flüchtlingen und ihren Nachkommen die Rückkehr gestattet werden soll. Israel ist der Ansicht, dass jede Umsiedlung palästinensischer Flüchtlinge ausserhalb seiner Grenzen erfolgen muss.

(Reuters)