Anders als 2009, als Chinas Konjunkturpakete die Erholung von der Lehman-Pleite einleiteten, gibt es 2023 einen Haken: Der Aufschwung in der Volksrepublik dürfte die Inflation genau zu dem Zeitpunkt ankurbeln, an dem die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und andere Zentralbanken versuchen, sie unter Kontrolle zu bringen.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds wies vor einigen Wochen darauf hin, dass Chinas Abkehr von der Null-Covid-Politik 2023 der wichtigste Faktor für die Weltkonjunktur sein dürfte. Kristalina Georgieva warnte jedoch vor den Folgen, die dies für die Inflation haben könnte. “Was ist, wenn die gute Nachricht, dass China schneller wächst, zu einem sprunghaften Anstieg der Öl- und Gaspreise führt und damit die Inflation anschiebt?”, sagte sie auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.

Bloomberg Economics prognostiziert für 2023 eine Beschleunigung des chinesischen Wirtschaftswachstums auf 5,8 Prozent — verglichen mit 3 Prozent im Jahr 2022. Die mathematischen Modelle für den Einfluss von Chinas Konjunktur auf die Energiepreise und die globale Inflation deuten darauf hin, dass dies die Verbraucherpreise im letzten Quartal 2023 um fast einen ganzen Prozentpunkt nach oben treiben könnte. Sollte China mit einem Wachstumsschub auf 6,7% die Erwartungen übertreffen, läge der Anstieg eher bei zwei Prozentpunkten.

Preisdruck wird auf zwei Wegen übertragen

Vor dem Hintergrund einer Verbraucherpreisinflation von unlängst noch 9,1 Prozent in den USA und 10,6 Prozent in der Eurozone mag dies wenig erscheinen. Doch da die Zentralbanken die Preissteigerung wieder auf ihr Ziel von 2 Prozent drücken wollen, ist die Bedeutung groß. Sollte der Aufschwung in China die US-Inflation im zweiten Quartal bei 5 Prozent halten - was nach unserem Modell möglich ist -, könnte dies die Erwartungen zunichte machen, dass die Fed auf ihrer Sitzung im Mai keine weiteren Zinserhöhungen vornehmen wird.

Der von China ausgehende Preisdruck wird wahrscheinlich auf zwei Wegen übertragen. Erstens besteht das Risiko eines negativen Angebotsschocks, wenn die erste Welle von Covid-Infektionen eine Flut von Arbeitsausfällen auslöst und die Fabriken Schwierigkeiten haben, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Einkaufsmanager-Daten zum verarbeitenden Gewerbe in China zeigen, dass die Lieferzeiten Ende 2022 aus dem Ruder gelaufen sind. Hier besteht die Gefahr, dass sich die Lieferengpässe, die den ersten Inflationsschub ausgelöst haben, wiederholen, wenn auch in deutlich geringerem Umfang.

Der zweite Kanal wird ein positiver Nachfrageschock sein, sobald die Volksrepublik wieder zum normalen Leben übergeht. Chinas Ölimporte stagnierten während der Pandemie. Die Hoffnung auf eine stärkere Nachfrage, wenn sich Autobahnen, Bahnhöfe und Flughafenterminals wieder füllen, hat bereits dazu beigetragen, dass die Ölpreise von einem Tiefstand von 76 Dollar je Barrel Anfang Dezember auf rund 86 Dollar Ende Januar gestiegen sind. Rohstoffanalyst Jeff Currie von Goldman Sachs rechnet damit, dass die Preise bis auf 105 Dollar oder mehr anziehen könnten.

(Bloomberg)