Donald Trump hatte im Wahlkampf mit dem Slogan «drill, baby, drill» geworben und schon am ersten Amtstag Massnahmen ergriffen, um die US-Öl- und Gasproduktion weiter zu steigern. Doch nur 100 Tage nach Amtsbeginn sind die Ölpreise um über 20 Prozent gefallen - unter die Gewinnschwelle vieler US-Produzenten.
Die protektionistische Handelspolitik hat die Prognosen für das globale Ölnachfragewachstum gedrückt, und die international gesunkenen Energiepreise haben die Aussichten für die Branche verschlechtert. Der US-Referenzpreis für Rohöl ist auf etwa 60 Dollar je Barrel gefallen - ein Niveau wie zuletzt während der COVID-19-Pandemie und unter dem von vielen Produzenten benötigten Gewinnschwelle von rund 65 Dollar.
Mehr als die Hälfte des Preisrückgangs erfolgte nach dem von Trump ausgerufenen «Befreiungstag» am 2. April, an dem er einen Mindestzoll von 10 Prozent auf US-Importe verkündete. Dies schürte Ängste vor einer globalen Wachstumsverlangsamung.
Ölpreisverfall untergräbt Energieagenda
«Das makroökonomische Umfeld hat sich deutlich verschlechtert - wegen der Zölle und der politischen Unsicherheit», sagte Ben Cahill, Direktor am Center for Energy and Environmental Systems Analysis der Universität Texas in Austin. «Energie-Dominanz braucht das Vertrauen der Investoren», so Cahill. Zusätzliche Unsicherheiten erzeugten US-Sanktionen gegen den iranischen Ölsektor als auch Massnahmen gegen Energieeinrichtungen in China.
Wegen der US-Zölle haben alle wichtigen Marktbeobachter - darunter die US-Energiebehörde EIA, die Internationale Energieagentur (IEA), die OPEC sowie grosse Banken - ihre Preis- und Nachfrageprognosen nach unten korrigiert.
Die Entscheidung von OPEC+, im Frühjahr die Fördermengen früher zu erhöhen, beschleunigte den Preisverfall zusätzlich - obwohl Trump selbst Saudi-Arabien und die OPEC kurz nach Amtsantritt zu niedrigeren Ölpreisen gedrängt hatte.
Die Folge: US-Produzenten, die im April rund 13,4 Millionen Barrel pro Tag förderten und für 2025 ursprünglich sogar 13,5 Millionen Barrel pro Tag anvisierten, stoppen neue Bohrprojekte. «Trump und sein Energieteam glauben offenbar, dass US-Produzenten trotz der Unsicherheit weiterbohren werden. Das ist ein Trugschluss», schrieb ein ehemaliger CEO eines Ölförderdienstleisters auf LinkedIn.
Ein Sprecher des Energieministeriums betonte, dass Präsident Trump und Energieminister Chris Wright sich weiterhin für den Ausbau der US-Energieinfrastruktur einsetzten.
LNG profitiert
Besser als Öl hat sich unter Trump der Markt für Erdgas und verflüssigtes Erdgas (LNG) entwickelt. Am ersten Amtstag verfügte Trump über die Wiederaufnahme von LNG-Exportgenehmigungen - ein Prozess, den sein Vorgänger Joe Biden pausiert hatte. Zudem leitete Trump den Rückbau von Umweltvorgaben ein, die LNG-Projekte verzögert hatten.
Mehrere Unternehmen kündigten seither Investitionen an, darunter auch der australische Konzern Woodside Energy, der ein LNG-Projekt im Volumen von 17,5 Milliarden Dollar endgültig freigegeben hat. Die US-Energiebehörde EIA rechnet deshalb für 2025 mit einem Anstieg der LNG-Exporte auf durchschnittlich 15,2 Milliarden Kubikfuss pro Tag – nach einem Rekordwert von 11,9 Milliarden Kubikfuss pro Tag im Jahr 2024 und über den bisherigen Prognosen unter der Biden-Regierung.
Allerdings könnten die von Trump verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium die Kosten für LNG-Projekte erhöhen, warnte Jason Feer von Poten and Partners. Bereits heute lasten Arbeits-, Finanzierungs- und Ausrüstungsinflation auf der Branche.
(Reuters)