cash.ch: Im Herbst hat Comet eine Gewinnwarnung für 2023 ausgegeben, aber die Guidance für die Folgejahre erhöht. Beisst sich das nicht? 

Stephan Haferl: Einerseits ist die Marktkorrektur in der Halbleiterindustrie im letzten Jahr stärker als erwartet ausgefallen, andererseits sehen wir langfristig bei den Multigenerationentrends Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Elektrifizierung eine deutliche Wachstumsbeschleunigung. Heute stehen wir mit einer ganzen Reihe von neuen Produkten in den Startlöchern und wir erwarten deshalb, doppelt vom Aufschwung zu profitieren.   

Sie haben ein sehr ambitioniertes Ziel von 30 bis 35 Prozent Ertrag auf dem investierten Kapital. Ist das nicht zu ehrgeizig?

Das Ziel ist auf jeden Fall erreichbar, wenn das nächste Zwischenhoch in der Halbleiterindustrie im nächsten Aufwärtszyklus erreicht wird. Wir sind es uns einfach gewohnt, ambitionierte Ziele zu setzen. Gerade aufgrund der in den letzten Jahren getätigten Investitionen in die Infrastruktur sind wir sehr zuversichtlich, weil es ein höheres Volumenwachstum zulässt.  

Welche Rolle spielt dabei der sogenannte «Schweinezyklus» in der Halbleiterbranche mit seinen heftigen Auf- und Abschwüngen? 

Die Kapitalprofitabilität verhält sich tatsächlich sehr zyklisch, weil Comet diesen Auf- und Abschwüngen der Halbleiterindustrie ausgesetzt ist. In unserem Fall können wir festhalten, dass das Geschäft gesamthaft betrachtet gegen oben schwankt. Es ist aber in der Tat herausfordernd, in einer Baisse die Profitabilität zu halten. Deshalb versuchen wir, diese Hochs und Tiefs mittels Optimierung der Fix- und Komplexitätskosten möglichst ausgeglichen zu gestalten. 

Der Schweinezyklus dürfte nicht so schnell verschwinden, wenn man einen Blick auf die jüngst publizierten Unternehmensergebnisse von Texas Instruments oder ASML wirft?

Die Baisse begann im vierten Quartal 2022 und der Abwärtszyklus währt im Schnitt fünf Quartale. Dies dauerte diesmal etwas länger. Seit dem letzten Quartal sehen wir aber, dass wir den Boden erreicht haben und erste Wachstumssegmente sich wieder positiv entwickeln. Allerdings ist das Ganze noch sehr uneinheitlich. 

KI-Chips gehen schon einen Moment lang weg wie warme Semmeln?

Bei den modernsten Chips für KI-Anwendungen übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich. In den anderen Bereichen ist die Nachfrage verhältnismässig verhalten, da im letzten Zyklus Überkapazitäten aufgebaut wurden. Wir erwarten nun, dass es im zweiten Halbjahr 2024 wieder ein starkes Wachstum im Halbleiterbereich und somit für Comet als Halbleiter-Zulieferer gibt.

Nach dieser Baisse geht es also generell mit dem Wachstum wieder nach oben?

Langfristig betrachtet wächst die Halbleiterindustrie um 8 Prozent pro Jahr. Dieses Wachstum dürfte sich im aktuell beginnenden Aufwärtszyklus nun Richtung 10 Prozent beschleunigen. Dabei sind wir mit unseren Produkten in Teilbereichen aktiv, die schneller als der Gesamtmarkt wachsen. Die Spitze des nächsten Zyklus dürfte unserer Meinung nach etwa 2027 erreicht werden, bevor es erneut zu einer Korrektur und somit zum nächsten Schweinezyklus kommen wird. 

Wieso ist dieser Schweinezyklus so hartnäckig?

Der Schweinezyklus ist eine implizite Eigenschaft der Halbleiterindustrie. Nehmen sie als Beispiel die Kosten für eine Produktionsstätte für neue Hochleistungschips, wo sich die Investitionen auf bis zu 30 Milliarden Dollar belaufen oder auch die exorbitant hohen Investitionen für die neueste Generation an Hochleistungs-Speichersysteme. Der Aufbau einer solchen Fabrik dauert bis zu vier Jahre und diese muss dann möglichst schnell amortisiert werden. Das heisst, es wird wegen den kurzen Halbwertszeiten produziert, als gäbe es kein Morgen. Der Markt wird entsprechend zuerst überschwemmt und irgendwann ist der Markt satt, so dass sich die Warenlager zu füllen beginnen. Dies führt automatisch zu einem Zyklus, wo die Kunst darin besteht, möglichst früh zu spüren, wann der Kipppunkt ansteht.  

Im letzten Jahr hatten sie nicht nur Gegenwind durch den Abschwung, sondern auch durch den starken Franken. Wie negativ wirkt sich dies aus?

Die Frankenstärke ist etwas, das kommt und geht. Dem sind wir ausgesetzt, ob wir wollen oder nicht. Das Gegenmittel ist einzig, uns so flexibel wie möglich aufstellen. Gleichzeitig muss man aber auch die Vorzüge des Wirtschaftsstandorts Schweiz hervorheben. Wir haben hier an unserem Firmenstandort in Flamatt eine sehr hohe Produktivität und weiteres Potenzial zur Automatisierung. Aber klar ist, dass der starke Schweizer Franken eine Herausforderung bleibt. 

Welchen Einfluss haben die politischen Entscheidungen rund um die globalen Lieferketten?

Unsere Hauptabsatzmärkte sind die USA und das gesamte Asien. Waren wir vor 20 Jahren noch ein fast rein schweizerisches Unternehmen, so haben wir uns heute zu einer global aufgestellten Gruppe von San Jose in den USA bis Penang in Malaysia oder im chinesischen Shanghai entwickelt. Wir sind gut aufgestellt, auch wenn die Absatzmärkte weit weg von Flamatt sind. 

Birgt diese geografische Breite nicht auch Risiken aus geopolitischer Sicht?

Dies ist für Comet als fast 100-prozentiges Schweizer Exportunternehmen immer ein Thema, auch weil wir Technologien herstellen, die sehr begehrt sind. Die Geopolitik geht deshalb nicht einfach so an uns vorbei. Mit den bestehenden Handelsrestriktionen im globalen Kontext können wir leben. Sollte sich etwas ändern, so müssen wir uns wieder anpassen.  

Comet ist in den letzten 75 Jahren im Röntgen-Bereich gross geworden, dann kam die Plasmakontrolle hinzu. Wo liegt zukünftig der Fokus?

Unser Geschäft ist in den zwei Bereichen Plasmakontrolle und Röntgen-Technologie aktiv. Das Röntgengeschäft besteht dabei aus zwei Divisionen. Der Division industriellen Röntgen-Module liefert Röntgenröhren und -module an verschiedene Kunden, die diese Technologie in die eigenen Produkte integrieren. Die zweite Division industrielle Röntgensysteme stellt fixfertige Röntgensysteme her, welche wir direkt an unsere Endkunden verkaufen. Diese Röntgensysteme werden mehr und mehr in der Halbleiterindustrie eingesetzt. Auf der anderen Seite ist der Bereich Plasmakontrolle über die letzten fünfzehn Jahre am stärksten gewachsen. Dieser entwickelt und fertigt hochwertige Vakuumkondensatoren, Hochfrequenzgeneratoren und Impedanz-Anpassungsnetzwerke. Diese spezialisierten Produkte werden für die präzise Steuerung von Plasmaprozessen wie Dünnschichtabscheidung und Ätzen hauptsächlich bei der Herstellung von Halbleitern, aber auch in der Produktion von Flachbildschirmen, Solarzellen und bei industriellen Beschichtungen verwendet.

Liegt das künftige Wachstum hauptsächlich bei der Plasmakontrolle?

Der Röntgen-Bereich kann sich künftig durchaus auch zu einem weitaus grösseren Bereich entwickeln, weil die neuste Generation von integrierten Schaltkreisen bei  Computer-Chips in die dritte Dimension übergeht. Dabei werden einzelne Mikrochips oder auch Speicherelemente nicht mehr nebeneinander verbaut, sondern aufeinander gestapelt. Für diese kleinen technischen Wunderwerke besteht ein erhöhter Prüfbedarf, der zunehmend mittels Computertomografie auf unseren Geräten abgedeckt werden kann.  

Können Sie als Schweizer Mid Cap langfristig überhaupt in einem so schnellen und wettbewerbsintensiven Markt bestehen?

Wir haben starke, aber nicht sehr zahlreiche Konkurrenten. Wir bewegen uns seit fünfzehn Jahren in einer hochtechnologischen Nische und uns hilft die Fokussierung auf ein paar wenige, spezialisierte Gebiete. Dabei legen wir Wert auf Schweizer Qualität und Zuverlässigkeit gepaart mit einer global aufgestellten Entwicklung, Produktion und Vermarktung. Wir denken, damit den Konkurrenzvorsprung halten zu können. 

Klein, agil und flexibel?

Genau. Und gut schweizerisch frech. 

Ist «frech sein» eine Schweizer Tugend?

Als ich 2007 bei Comet angefangen habe, waren wir knapp 300 Leute, und ich wurde als geborener Zürcher entsprechend in der Region Flamatt empfangen (lacht). Heute ist das anders. Comet ist ein global aufgestelltes Unternehmen mit bis zu 1700 Mitarbeitern, wovon 70 Prozent im Ausland tätig sind. Und dies nicht, weil wir in der Schweiz geschrumpft, sondern im Ausland gewachsen sind. 

Stephan Haferl ist seit September 2022 CEO der Comet Group. Der 51-jährige schweizerisch-norwegische Doppelbürger hält einen Master of Science in Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich. Nach Abschluss des Studiums hat er im Bereich Thermodynamik und Fluiddynamik promoviert. Haferl ist seit 2007 in verschiedenen Führungspositionen bei der Comet Group tätig.

Thomas Daniel Marti
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