"Die Wirtschaftsleistung dürfte im ersten Quartal 2023 abermals geringer als im Vorquartal ausfallen", heisst es in dem am Montag veröffentlichten Monatsbericht. Ende 2022 war Europas grösste Volkswirtschaft nach einem zuvor robusten Wachstum bereits um 0,2 Prozent geschrumpft.
Bei zwei Negativ-Quartalen in Folge wird von Rezession gesprochen. Die Industrieproduktion starte von einem gedrückten Niveau, während die Exporteure mit einer sinkenden Auslandsnachfrage kämpften. Auch dürfte sich die Baukonjunktur angesichts gestiegener Zins- und Materialkosten weiter abkühlen. "Ausserdem bleibt die Inflation hoch und schmälert weiter die Kaufkraft der privaten Haushalte", so die Ökonomen der deutschen Bundesbank. "Der private Verbrauch dürfte also auch zu Jahresbeginn 2023 sinken."
Die starke Teuerung dürfte der deutschen Notenbank zufolge auch wegen hoher Tarifabschlüsse noch eine Weile anhalten. "Spürbare Zweitrundeneffekte auf die Preise sind absehbar", heisst es in dem Monatsbericht. "Sie tragen dazu bei, dass die Inflationsrate über einen längeren Zeitraum deutlich über dem mittelfristigen Ziel von zwei Prozent für den Euroraum bleiben wird." Viele Ökonomen befürchten, dass die Unternehmen wegen höherer Personalkosten ihre Verkaufspreise weiter anheben könnten. Solche sogenannten Zweitrundeneffekte wiederum dürften die Inflation anheizen. "In den jüngsten Tarifabschlüssen sind die Auswirkungen der hohen Preissteigerungsraten bereits klar erkennbar", warnt die Bundesbank.
Lohnvereinbarungen höher als früher
Die Tarifverdienste seien im vergangenen Herbst zwar weiterhin moderat gestiegen. "Die jüngsten Tarifabschlüsse fielen allerdings erneut deutlich höher aus als in den vorangegangenen Jahren", so die Bundesbank. Auffällig sei zudem, dass in einigen Branchen zusätzlich steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämien vereinbart worden seien. In einzelnen Branchen seien dazu laufende Tarifverträge ausserplanmässig nachverhandelt worden. "Auch die Lohnforderungen fallen im historischen Vergleich derzeit ungewöhnlich hoch aus", heisst es im Monatsbericht. In diesem Jahr würden zudem die alten, moderaten Tarifabschlüsse aus der Zeit vor der hohen Inflation auslaufen.
"In den kommenden Monaten wird sich die Inflationsrate voraussichtlich weiter verringern", erwartet die Bundesbank. So falle im März der kräftige Anstieg der Energiepreise im Vorjahr aus der Berechnung der Rate. "Der zugrunde liegende Preisauftrieb dürfte aber in den nächsten Monaten von einem ausserordentlich hohen Niveau aus nur zögerlich zurückgehen", heisst es zugleich. Im Januar lag die Teuerungsrate bei 8,7 Prozent.
«Wesentliche Besserung nicht in Sicht»
Für den Rest des Jahres versprüht die Bundesbank nicht gerade viel Optimismus. "Im weiteren Jahresverlauf könnte es zwar langsam wieder aufwärtsgehen", so die Notenbank, die dann etwa ein Anziehen der Exporte erwartet. "Eine wesentliche Verbesserung ist aber noch nicht in Sicht." Auch im Gesamtjahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt "wohl leicht zurückgehen", allerdings nicht so stark wie im Dezember befürchtet. Damals hatte die Bundesbank ein kalenderbereinigtes Minus von 0,5 Prozent vorhergesagt. Die Bundesregierung und auch einige Ökonomen halten inzwischen ein leichtes Wachstum für möglich.
Die Bundesbank erwartet zudem ein höheres Staatsdefizit. "Insgesamt gesehen dürften die Ausgaben deutlich stärker steigen als die Einnahmen", erwartet sie. "Dazu trägt bei, dass die hohe Inflation unter anderem die staatlichen Sachkäufe sowie Investitionen weiter verteuert." Zudem dürften die Ausgaben für Verteidigung und Klimapolitik deutlich zulegen. "Bei den staatlichen Einnahmen lässt der Boom der Gewinnsteuern im Vorjahr hingegen erwarten, dass sie nun deutlich langsamer wachsen." 2024 dürften vorübergehende Stützungsmassnahmen wie Strom- und Gaspreisbremse zwar wieder auslaufen. Allerdings mache der Bund nach seiner mittelfristigen Finanzplanung "noch deutliche Defizite in seinen Extrahaushalten, vor allem in den Fonds für Klimapolitik und Bundeswehr".
(Reuters)