Die Bundesregierung in Berlin steht weiter zur Welthandelsorganisation - trotz vieler Probleme. Die WTO binde 166 Länder an ihre Regeln, diese seien elementar für den globalen Handel, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters: «Die WTO ist und bleibt Rückgrat für den globalen Handel.»

Auch eine Regierungssprecherin betonte auf Anfrage, dass sich die Regierung unverändert für eine «offene und regelbasierte Welthandelsordnung mit der WTO im Zentrum» einsetze.

Beide reagierten damit auf Äusserungen von Kanzler Friedrich Merz, der nach dem EU-Gipfel in Brüssel davon gesprochen hatte, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen habe, an einer Alternative zur WTO zu arbeiten.

Auch er selbst habe mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer schon über das Thema gesprochen, hatte Merz gesagt. Die WTO sei tatsächlich reformbedürftig, weshalb sich die Bundesregierung zusammen mit der EU-Kommission für Reformen einsetze, sagte der Sprecher von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche. Dabei gehe es etwa um neue Regeln zu Industriesubventionen zur Schaffung eines fairen Wettbewerbs, Initiativen zum digitalen Handel und Investitionserleichterungen.

Die EU sei darüber bereits mit Ländern im Austausch, die sich zu offenem und regelbasiertem Handel bekennen würden. Dazu gehörten die Mitglieder der CPTPP (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership). Dies sind Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam.

«Die WTO ist aber nach wie vor relevant, auch wenn die Streitschlichtung in der zweiten Instanz blockiert ist», sagte der Sprecher. Hintergrund ist, dass die USA schon seit der Amtszeit von Präsident Barack Obama keine Richter mehr in den Streitschlichtungsgremien nachbesetzen, sodass diese zunehmend arbeitsunfähig wurden. Es gebe aber innerhalb der WTO das Abkommen MPIA, das auf Basis von Regeln der Welthandelsorganisation Streit verbindlich auch in zweiter Instanz schlichten könne, sagte der Sprecher. Erst vor kurzem sei Grossbritannien beigetreten.

Das MPIA ist ein freiwilliger Zusammenschluss von 54 WTO-Mitgliedstaaten, die für 50 Prozent des Weltwirtschaftsprodukts und -handels stehen - darunter die EU, Kanada, Brasilien, Japan und China. Ziel der Vereinbarung ist, einen vorübergehenden Berufungsmechanismus zu schaffen, solange etwa die USA mit der Nicht-Besetzung von Richterstellen die WTO blockieren. Zumindest zwischen diesen Staaten kann so eine abschliessende Streitbeilegung in Handelsfragen gewährleistet werden. Die USA sind nicht Mitglied des MPIA.

EU-Kommission für Neugestaltung der WTO - nicht für einen Ersatz

Auch von der Leyen hatte am Donnerstag davon gesprochen, dass eine verstärkte Zusammenarbeit mit asiatischen Ländern im Pazifik-Raum Grundlage für eine Neugestaltung der WTO werden könne. Dies sei allerdings nicht als Ersatz für die WTO zu verstehen, betonte ein Kommissionsvertreter.

In Berlin sagte eine Regierungssprecherin, dass es darüber hinaus aber «normal und langgeübte Praxis» sei, dass Staaten auch ausserhalb der WTO vorangingen und Handelsthemen auch in bilateralen oder regionalen Abkommen regelten. Darin liegt aber keine Abkehr, sondern der Wunsch nach einer Stärkung und Weiterentwicklung der regelbasierten globalen Wirtschaftsordnung.

Der Präsident des Bundesverbands Gross- und Aussenhandel, Dirk Jandura, begrüsste die Debatte. «Die WTO ist durch Blockaden und Reformstau zunehmend handlungsunfähig – ein Problem, das exportstarke Länder wie Deutschland hart trifft», sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Diese organisatorische Krise treffe auf eine völlig veränderte Weltlage. Der regelbasierte Handel drohe in einer neuen Weltordnung gegen die Wand zu fahren. «Der Ansatz, mit einer kleineren Gruppe funktionierender Demokratien - etwa über eine Kooperation mit dem transpazifischen Handelsabkommen CPTPP - einen neuen Rahmen zu schaffen, hat durchaus strategische Vorteile.»

Allerdings gebe es Risiken: So dürfe der Welthandel nicht in konkurrierende Handelsblöcke mit unterschiedlichen Regeln zerfallen. «Entscheidend ist, dass diese neue Organisation nur als Übergangslösung konzipiert werden darf, mit dem klaren Ziel, die WTO zu reformieren und nicht zu ersetzen.»

(Reuters)