Chinesische Waren werden einer Studie zufolge wegen der hohen US-Zölle teils nach Deutschland umgeleitet. Besonders deutlich wird dies bei Kupfer: Die Einfuhren aus der Volksrepublik hätten sich von Oktober 2024 - dem Monat vor der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten - bis Juni 2025 beinahe verdoppelt, heisst es in der Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Diese lag der Nachrichtagentur Reuters am Mittwoch vor. Demnach stiegen die Kupfer-Importe um 91 Prozent. Auch bei anderen Produkten gab es demnach kräftige Zuwächse, etwa bei Bekleidung (+24 Prozent) und bei Spielzeug, Spielen und Sportgeräten (+12 Prozent).

«Bislang sind wir noch nicht auf breiter Basis mit chinesischen Waren überschwemmt worden», sagte der Leiter des IAB-Forschungsbereichs «Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen», Enzo Weber. «Allerdings gibt es einige Warengruppen, bei denen auffällige Effekte zu sehen sind.» Grund zu Alarmismus sehe der Experte nicht. Künftig könnten aber noch ganz andere Güter nach Deutschland umgeleitet werden, die schwerer transportierbar und nicht so leicht umzuleiten seien wie etwa Plastikspielzeug. «Das muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein, was wir gerade sehen», warnte Weber.

Der Studie zufolge wurde im genannten Zeitraum von Präsident Donald Trump ein US-Zoll von ungefähr 50 Prozent auf chinesische Waren wirksam. Der Beratungsfirma Aevean zufolge ist deshalb im Mai allein der Warenwert von chinesischen E-Commerce-Sendungen in die Vereinigten Staaten um 43 Prozent zum Vorjahreszeitraum eingebrochen. Deshalb dürften viele chinesische Hersteller versuchen, ihre Waren in Europa loszuwerden.

«Daran hängt die deutsche Wirtschaft nicht»

Für die deutschen Verbraucher können das gute Nachrichten sein. «Güter können billiger bezogen werden, weil das Angebot steigt durch Waren, die nun nicht mehr in den USA abgesetzt werden», sagte Weber. «Die heimischen Verbraucher müssen dann weniger bezahlen.» Auch die deutschen Unternehmen könnten damit leben. «Diese Waren werden schon noch auch in Deutschland hergestellt, daran hängt die deutsche Wirtschaft aber nicht», sagte der IAB-Experte.

In den ersten sieben Monaten 2025 legten die Importe aus China um gut zehn Prozent auf fast 96 Milliarden Euro zu. Sie wuchsen damit gut doppelt so stark wie die Einfuhren insgesamt: Diese nahmen von Januar bis Juli um 4,9 Prozent auf rund 797 Milliarden Euro zu.

Nicht nur die chinesische Konkurrenz leidet unter den US-Zöllen, sondern auch die deutschen Hersteller. «Die Neuausrichtung der US-Zollpolitik unter Präsident Trump zeigt deutliche Auswirkungen auf deutsche Exporte», heisst es in der Studie des IAB. «Vorzieheffekte im Frühjahr 2025 gingen ab April in spürbare Rückgänge über.» Besonders betroffen sind Warengruppen mit Sonder- oder Basiszöllen, etwa Fahrzeuge und Maschinen. Exporteure müssten daher mit Preisdruck und sinkenden Margen rechnen. Dem Statistischen Bundesamt zufolge nahmen die deutschen US-Ausfuhren von Januar bis Juli um 4,4 Prozent auf 90,3 Milliarden Euro ab, während die gesamten Exporte um 0,7 Prozent wuchsen.

IAB-Experte Weber rät dazu, sich mit anderen Ländern auf den Abbau von Handelshürden zu verständigen. «Wenn Deutschland und die EU die gegenseitigen Zölle mit dem Rest der Welt halbieren, kann man die Verluste im US-Geschäft kompensieren», sagte er. «Das ist durchaus möglich, weil viele Länder im selben Boot sitzen.» Fast alle Staaten würden durch die USA unter Druck gesetzt. Europa dürfte daher ein interessanter Partner sein. «Es bedarf einer Koalition der Willigen in der Handelspolitik», sagte Weber.

(Reuters)