Der Aufschwung in Deutschland nach drei Jahren Rezession und Stagnation fällt wegen ungelöster Standortprobleme und hoher US-Zölle schwächer als erwartet aus: Führende Institute senkten am Donnerstag ihre Wachstumsprognosen für 2026. Das Münchner Ifo-Institut erwartet nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 0,8 Prozent. Im September waren noch 1,3 Prozent vorausgesagt worden. Für das zu Ende gehende Jahr rechnen sowohl das Ifo als auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Essener RWI nur mit einem Mini-Plus von 0,1 Prozent, während das IWH aus Halle von 0,2 Prozent ausgeht. Zuvor war Europas grösste Volkswirtschaft zwei Jahre in Folge geschrumpft. Für 2027 wird ein Plus von bis zu 1,4 Prozent erwartet - ebenfalls weniger als bislang angenommen.

«Es ist insgesamt enttäuschend, dass wir für das kommende Jahr nicht mehr als ein Prozent Zuwachs erwarten können, obwohl die Bundesregierung hohe Schulden aufnimmt und die staatlichen Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung erhöhen will», sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. Ohne Reformen werde sich kein selbsttragender Aufschwung einstellen. «Die erhofften Impulse aus dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität lassen weiter auf sich warten», hiess es beim RWI. «Die Verausgabung der Gelder wird wegen Umsetzungsproblemen deutlich schleppender verlaufen als geplant», erwartet IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller.

Hinzu kommen hausgemachte Probleme. Die deutsche Wirtschaft passe sich dem Strukturwandel durch Innovationen und neue Geschäftsmodelle nur langsam und kostspielig an, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. «Zusätzlich werden Unternehmen und Neugründungen im Besonderen durch bürokratische Hürden und eine veraltete Infrastruktur behindert.»

Verlust an Wettbewerbsfähigkeit

Auch die US-Handelspolitik belastet die deutsche Exportwirtschaft demnach weiter spürbar. Die höheren Zölle von zumeist 15 Prozent dürften das Wachstum im laufenden Jahr um 0,3 Prozentpunkte dämpfen, 2026 dann sogar um 0,6 Prozentpunkte. «Die Unsicherheit durch die Zölle bleibt hoch, auch wenn die akuten Konflikte zwischen den USA und der EU entschärft wurden», warnte Wollmershäuser. Die Weltwirtschaft werde zwar von 2025 bis 2027 um durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr wachsen. Die deutsche Industrie profitiere davon aber nicht, sondern verliere weiter an Wettbewerbsfähigkeit.

Besserung erwarten die Institute am Arbeitsmarkt. Die Zahl der Beschäftigten soll dem IfW zufolge bis 2027 auf gut 46,1 Millionen steigen, von 45,977 Millionen in diesem Jahr. Die Arbeitslosenquote soll parallel dazu auf 5,9 von 6,3 Prozent sinken. Das könnte auch dem privaten Konsum auf die Sprünge helfen. So dürften die real verfügbaren Einkommen in den beiden kommenden Jahren um jeweils rund ein Prozent wachsen. Die Konsumausgaben sollen dadurch um 0,7 und 1,0 Prozent steigen.

Erwartet wird zudem, dass die Neuverschuldung des Staates in den beiden kommenden Jahren über der Drei-Prozent-Obergrenze der Europäischen Union liegt: 2026 soll das Defizit bei 3,5 und 2027 dann bei 4,0 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen, sagt das IfW voraus. Der Schuldenstand werde von 63,9 Prozent 2025 auf 65,4 Prozent im übernächsten Jahr steigen.

(Reuters)