Die vom Bundeskabinett am Donnerstag verabschiedeten Richtlinien betonen sowohl den Willen zur Zusammenarbeit als auch die Differenzen mit der kommunistischen Führung in Peking. "China hat sich verändert – dies und die politischen Entscheidungen Chinas machen eine Veränderung unseres Umgangs mit China erforderlich", heisst es zu Beginn der 64-seitigen China-Strategie.
Unternehmen werden aufgefordert, ihre Risiken im China-Geschäft abzubauen und sogenannte Klumpenrisiken bei der Fokussierung auf einen grossen Markt stärker einzupreisen. Investitions- und Exportkreditgarantien sollen schärfer geprüft werden. Firmen müssten die finanziellen Risiken bei einer zu starken Konzentration auf China künftig selbst tragen, sagte Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne). "In schwierigen Zeiten nach dem starken Arm des Staates zu verlangen, das wird auf Dauer nicht funktionieren." Die Wirtschaft reagierte gemischt auf die Strategie.
Allerdings verzichtet die Regierung darauf, sich klar zu der umstrittenen Prüfung von Investitionen in China zu bekennen. Wirtschaftsverbände hatten vor einer riesigen Bürokratie gewarnt. Nun heisst es nur, dass Investitions-Prüfungen ein Mittel sein könnten, um etwa im Technologiesektor neue Risiken zu vermeiden. Man werde "konstruktiv" bei der EU-Debatte über solche Instrumente mitarbeiten.
Die Regierung sagte zu, dass sie die Bemühungen von Firmen fördern werde, Rohstoffe und verarbeitete Rohstoffe aus anderen Ländern als China zu beziehen. So soll die teilweise sehr große Abhängigkeit verringert werden.
Sowohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) als auch Baerbock betonten den Willen zur Zusammenarbeit mit dem größten Handelspartner Deutschlands. "Kritische Themen wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und fairen Wettbewerb sprechen wir dabei immer an", betonte der Kanzler auf Twitter. "Wir brauchen China, aber China braucht auch uns in Europa", sagte Baerbock. "Wir sind realistisch, aber nicht naiv." Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) mahnte, dass China als einer der größten Gläubiger einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Schuldenkrise in vielen Entwicklungsländern leisten müsse.
Monatelange Verhandlungen
Die Regierung hatte sich erst nach monatelangen Verhandlungen auf das Papier einigen können, das der im Juni beschlossenen Nationalen Sicherheitsstrategie folgt. Differenzen gab es etwa zwischen Kanzleramt und den grün-geführten Außen- und Wirtschaftsministerien, die lange für eine härtere Gangart gegenüber Unternehmen zur Begrenzung ihres China-Geschäfts plädiert hatten. Kanzler Scholz etwa setzte eine Minderheitsbeteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einer Betreibergesellschaft am Container-Terminal im Hamburger Hafen gegen den Widerstand der Grün-geführten Außen- und Wirtschaftsministerien durch.
China wird weiter als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale beschrieben. Aber die deutlich kritischere Einschätzung Chinas, das etwa eine engere Partnerschaft mit Russland anstrebt, wird an mehreren Stellen deutlich. Zwar wird überall die Möglichkeit zur Zusammenarbeit betont.
Aber es heisst zugleich: "Die systemische Rivalität zeigt sich darin, dass Deutschland und China in wichtigen Bereichen unterschiedliche Vorstellungen über die Prinzipien der internationalen Ordnung haben." Mit Sorge betrachte die Bundesregierung Bestrebungen Chinas, die internationale Ordnung "entlang der Interessen seines Einparteiensystems zu beeinflussen". Dabei werde die Stellung der Menschenrechte relativiert. Baerbock betonte, dass die deutsche China-Politik sehr eng mit der EU-Politik koordiniert sein müsse.
Entscheidender Streitpunkt war, wie genau die Vorgaben für die Unternehmen sein sollten. Die Regierung erkennt an, dass China ein sehr wichtiger Markt für deutsche Firmen bleiben werde. Eine Abkoppelung vom größten Handelspartner Deutschlands sei nicht geplant. Bei den Investitionsprüfungen für chinesische Firmen in Deutschland sollen vor allem die Bereiche der sogenannten kritischen Infrastruktur und der Medien unter die Lupe genommen werden. Die Wirtschaft konnte sich offenbar mit ihrer Ablehnung von Investitionsprüfungen in China weitgehend durchsetzen. Der Passus ist nun sehr allgemein gehalten.
Der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, begrüßte, dass es überhaupt eine Einigung in der Ampel-Regierung gebe. Die Strategie könne nur ein erster Schritt sein, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup. Ein enger, regelmäßiger Austausch von Politik und Wirtschaft zu geopolitischen und Sicherheitsfragen sei wichtiger denn je.
(Reuters)
