Das Ministerium gehe «aktuell von einem Handlungsbedarf im unteren zweistelligen Milliardenbereich» aus, teilte eine Sprecherin am Freitag mit. Demnach müsste Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen Betrag in dieser Höhe durch Kürzungen und Mehreinnahmen aufbringen. Der Bundestag will am Freitag nächster Woche zunächst den Haushalt für das laufende Jahr beschliessen. Danach will Lindner die Aufstellung für 2025 und den Finanzplan bis 2028 einleiten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) meldete bereits Milliarden-Ansprüche für seinen Etat ab 2027 an, wenn das Bundeswehr-Sondervermögen aufgezehrt sei.

Laut einem Insider aus der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wurde die Lücke im Etat 2025 auf 15 bis 25 Milliarden Euro geschätzt. Hinzu komme wohl im Klima- und Transformationsfonds (KTF) eine Liquiditätslücke von mindestens acht Milliarden Euro. Aus dem Finanzministerium heiss es ergänzend lediglich, die Summe sei derzeit geringer als von der Opposition behauptet. CDU-Haushälter Christian Haase hatte den Einsparbedarf für 2025 auf etwa 36 Milliarden Euro beziffert.

Das Aufreissen der Milliardenlücke für 2025 geht vor allem auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 zurück. Auch die Konjunktur hat sich zuletzt schlechter entwickelt als noch im vorigen Jahr angenommen. Bereits aus dem 2023 beschlossenen mittelfristigen Finanzplan bis 2027 hatte sich ein Einsparbedarf von rund fünf Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Weitere Belastungen seien hinzugekommen, erklärte die Sprecherin. Dieser Finanzplan war im Sommer 2023 weit vor dem Urteil beschlossen worden, das 60 Milliarden Euro aus dem KTF gestrichen und damit weitere Lücken aufgerissen hatte.

Pistorius: Weichen für mehr Geld jetzt stellen

Mit der Aufstellung des Haushalts für 2025 ist auch der Finanzplan bis 2028 verbunden, der die Regierung womöglich vor noch grössere Schwierigkeiten stellt. Spätestens ab 2027 muss die Regierung mehr Geld für den Verteidigungsetat aufbringen. Das aus Schulden finanzierte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr dürfte dann aufgezehrt sein. Um die Nato-Ausgaben-Quote von zwei Prozent der Wirtschaftskraft zu erfüllen, müsste aus dem Bundeshaushalt mehr Geld in die Verteidigung fliessen. Die Regierung will die Quote 2024 erstmals mit 2,1 Prozent erfüllen. In diesem Jahr sind dazu unter anderem aus dem regulären Wehretat rund 52 Milliarden Euro und aus dem Sondervermögen etwa 20 Milliarden Euro vorgesehen.

Der Verteidigungsminister will noch in diesem Jahr Klarheit über die weitere Finanzierung. «Wir haben die Zusage des Kanzlers, dass wir bis in die 2030er-Jahre hinein mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts in die Verteidigung investieren», sagte Pistorius dem «Spiegel». «Also ausdrücklich auch dann, wenn das Sondervermögen ab 2027 aufgebraucht sein wird.» Das müsse sich in der Finanzplanung niederschlagen: «Das heisst, die Weichen für den Aufwuchs des Verteidigungsetats müssen noch in diesem Jahr gestellt werden.»

Für Verteidigung müssten im Ressort von Pistorius oder der Allgemeinen Finanzverwaltung demnach mindestens jährliche Mehrausgaben von 20 Milliarden Euro angesetzt werden. Bisher ist völlig offen, wie die Ampel dies finanzieren will. In Teilen der Koalition wird erwartet, dass dafür ein weiteres Sondervermögen erforderlich ist, mit dem die Schuldenbremse umgangen werden kann. Dafür würde im Bundestag aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes benötigt, wofür die Union mit der Ampel stimmen müsste. Bisher ist allerdings nicht erkennbar, dass die Union dazu ein zweites Mal bereit wäre, nachdem sie 2022 nach Ausbruch des Ukraine-Krieges zugestimmt hatte.

Pistorius verwies auf Russlands Krieg in der Ukraine und Planungen der russischen Führung, die Rüstungsausgaben stark zu erhöhen. «Die Bedrohungslage verschärft sich», sagte Pistorius. «Unsere Antwort auf diese Drohgebärden ist eindeutig: Wir sorgen dafür, dass unsere Bundeswehr kriegstüchtig ist, dass sie in der Lage ist, einen Angriff abzuwehren.»

Genaue Berechnungen zur Etatlücke 2025 sind nach Angaben des Finanzministeriums noch nicht möglich. «Wichtige Faktoren wie die Auswirkungen des Wachstumschancengesetzes, die Entwicklung von Konjunktur und Zinsen sind noch nicht bekannt», sagte die Sprecherin. Das Ministerium arbeite intensiv an der Aufstellung des Haushalts 2025. «Nach dem Abschluss des Bundeshaushalts 2024 werden wir wie üblich den Prozess starten und die Ressorts mit dem Haushaltsaufstellungsschreiben über die weiteren Schritte informieren», kündigte die Sprecherin an.

Bisher war es üblich, dass sich die Regierung im Frühjahr für den Etatentwurf des nächsten Jahres auf Ausgaben-Obergrenzen für jedes einzelne Ministerium verständigt. Im vorigen Jahr war dieses Eckwerte-Verfahren aber gescheitert, weil sich die Regierung etwa im Streit über die Kindergrundsicherung nicht auf Zahlen verständigen konnte. Die Etat-Verhandlungen in der Regierung zogen sich daher bis zum Kabinettsbeschluss über Etatentwurf und Finanzplan im Juli 2023 und über den Sommer hinaus. In der Koalition wird bezweifelt, dass sich die Koalition dieses Jahr wieder auf Eckwerte verständigen könnte.

(Reuters)