Die Verbraucherpreise lagen im August um durchschnittlich 6,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Im Juli war die Inflationsrate auf 6,2 Prozent gefallen, nachdem sie im Juni auf 6,4 Prozent gestiegen war. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten einen etwas deutlicheren Rückgang auf 6,0 Prozent vorausgesagt. Von Juli auf August zogen die Preise wie erwartet um 0,3 Prozent an.

«Die Inflation in Deutschland erweist sich als zählebig», sagte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). «Der geringe Rückgang im Sommer ist enttäuschend.» Ein zügigerer Abbau werde einerseits durch die zuletzt gestiegenen Energiepreise verhindert, anderseits durch die nach wie vor solide Situation am Arbeitsmarkt, ergänzte der Chefvolkswirt von Union Investment, Jörg Zeuner. «Diese führt nämlich zu einer ordentlichen Lohndynamik und hat durch den starken Sommertourismus weitere Unterstützung erfahren», sagte Zeuner.

Die starke Teuerung hat auch negative Folgen für die Konjunktur. «Die Inflation ist derzeit sogar zweistellig bei Handwerkerleistungen, bei Pauschalreisen oder auch bei den Kosten von Pflegeheimen», sagte ZEW-Ökonom Heinemann. «Das bedeutet, dass der Kaufkraftschwund für die meisten Menschen real spürbar ist und stark ins Auge sticht.» Dieser Zustand führe zu einer anhaltenden Verunsicherung und nähre die Sorge um Wohlstandsverluste. «Eine solche Entwicklung spricht dagegen, dass der private Konsum in absehbarer Zeit wieder eine Stütze der wirtschaftlichen Entwicklung werden könnte», warnte Heinemann. Europas grösste Volkswirtschaft ist zuletzt drei Quartale in Folge nicht gewachsen und dürfte im Gesamtjahr 2023 leicht schrumpfen.

Energiepreise ziehen an

Preistreiber Nummer eins blieben im August die Nahrungsmittel: Sie kosteten 9,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, nach plus 11,0 Prozent im Juli. Energie verteuerte sich mit 8,3 (Juli: 5,7) Prozent wieder stärker, während für Dienstleistungen 5,1 (Juli: 5,2) Prozent mehr bezahlt werden musste. Die Teuerungsrate ohne Nahrungsmittel und Energie, die sogenannte Kerninflation, verharrte bei 5,5 Prozent.

«Der flotte Rückgang bei den Produzenten- und Einfuhrpreisen stimmt aber zuversichtlich, dass der Inflationsschub in den kommenden Monaten weiter abnimmt», sagte Volkswirt Bastian Hepperle von der Hauck Auhäuser Lampe Privatbank. Die Importpreise fielen im Juli mit 13,2 Prozent zum Vorjahresmonat so stark wie seit 1987 nicht mehr. Da die deutsche Wirtschaft viele Vorprodukte und Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, kommen sinkende Einfuhrpreise verzögert auch bei der allgemeinen Inflation an.

Scholz stützt EZB-Kurs

«Im September dürfte die Inflationsrate um schätzungsweise 1,5 Prozentpunkte zurückgehen, weil dann der Effekt des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts aus dem Vorjahresvergleich herausfällt», sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Beides galt nur von Juni bis August 2022. «Bis zum Jahresende dürfte die Teuerungsrate weiter nachlassen», erwartet Krämer. Aber die rasch steigenden Löhne dürften die Preise für Dienstleistungen anschieben und die unterliegende Inflation recht hoch halten. «Das Inflationsproblem ist noch lange nicht gelöst», warnte der Chefökonom deshalb.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zum Abschluss der Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg, die Inflation in Deutschland sei nicht gut für Unternehmen und Bürger. Der Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) sei daher richtig, diese prioritär zu bekämpfen. Die EZB versucht, mit einer Serie von Zinserhöhungen die Teuerungsrate in der Währungsunion wieder näher an die gewünschte Zwei-Prozent-Marke zu drücken. Die Regierung versuche bei allen Hilfen für die Wirtschaft so zielgerichtet vorzugehen, dass dies nicht zu einem neuen Inflationsschub führe, sagte Scholz.

(Reuters)