Die Ausgaben von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung überstiegen die Einnahmen um rund 28,9 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Freitag bekanntgab. Damit fiel das staatliche Defizit um 19,4 Milliarden Euro niedriger aus als ein Jahr zuvor. Die Summe entspricht einem Defizit von 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der EU-Wachstums- und Stabilitätspakt sieht eine Obergrenze von drei Prozent vor.
«Aus den Ergebnissen für das erste Halbjahr lassen sich nur begrenzt Rückschlüsse auf das Jahresergebnis ziehen», betonte das Statistikamt. Ökonomen zufolge dürfte der Staatshaushalt künftig unter grösseren Druck geraten. «Die Defizite der öffentlichen Haushalte werden in den kommenden Jahren weiter zulegen», sagte Steuerexperte Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) der Nachrichtenagentur Reuters. Die geplanten milliardenschweren Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur dürften in der aktuellen Lage zwar geboten sein. «Gelingt es aber nicht, an anderer Stelle zu konsolidieren, droht spätestens nach Ende des Sondervermögens Infrastruktur eine prekäre Haushaltslage bei zugleich deutlich höherem Schuldenstand», warnte Boysen-Hogrefe.
Die Politik sollte daher ein umfassendes Programm zur Ausgabenreduktion auflegen. Dieses sollte insbesondere bei den Subventionen ansetzen, aber auch Sozialleistungen nicht aussparen. «Wer in dieser Situation alle Arten von Ausgaben für sakrosankt erklärt, steuert auf eine Krise zu», sagte der IfW-Experte. Bei der Haushaltskonsolidierung alleine auf die Einnahmeseite zu setzen, könne Arbeits- und Investitionsanreize empfindlich schwächen.
Die Einnahmen des Staates summierten sich bis Ende Juni auf rund 1042 Milliarden Euro, ein Plus von 6,5 Prozent. Die Ausgaben legten um 4,3 Prozent auf knapp 1071 Milliarden Euro zu. Die Steuereinnahmen des Staates erhöhten sich um 5,1 Prozent. Bei der Mehrwertsteuer gab es einen deutlichen Zuwachs von 6,9 Prozent, die Einnahmen aus den Einkommensteuern stiegen um 4,6 Prozent. Unter anderem durch gestiegene Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Anhebung der Beitragssätze der Pflegeversicherung und der Beitragsbemessungsgrenzen im Januar legten die Sozialbeiträge um 8,9 Prozent zu. Die Zinseinnahmen des Staates fielen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 18,9 Prozent.
(Reuters)