Bis 2032 soll demnach ein 9700 Kilometer langes Kernnetz zur Verbindung von Häfen, Industrie, Speichern und Kraftwerken entstehen, wofür Wirtschaftsministerium und die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) eine Leitungskarte vorlegten. Die Kosten werden laut FNB 19,8 Milliarden Euro betragen. Zu gut 60 Prozent können bestehende Erdgas-Röhren genutzt werden, zum anderen Teil werden Neubauten benötigt. Das Netz nutze ganz Europa, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). «Wir gehen auch da voran.» Laut FNB-Chef Thomas Gössmann wird 2025 erster Wasserstoff fliessen. «Wir wissen, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Die Bagger müssen nächstes Jahr rollen.»

Wasserstoff - vor allem erzeugt mit Wind- und Solarstrom - soll künftig eine zentrale Rolle als möglichst klimaneutraler Brennstoff in Deutschland spielen. Eingesetzt werden soll er dort, wo erneuerbarer Strom Öl, Erdgas oder Kohle kaum ersetzen kann. Dies gilt beispielsweise im Schiffs- und Flugverkehr, er kann aber auch in Kraftwerken Erdgas ablösen. Zudem wird er in Industrieprozessen wie der Stahlproduktion benötigt. Etwa zwei Drittel der nötigen Mengen müssen laut Wirtschaftsministerium allerdings importiert werden. Die Leitungskarte sieht so auch vor, dass in Nordafrika erzeugter Wasserstoff über Italien in Süddeutschland abgenommen werden kann. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Anbindung an die Häfen im Norden, da rund um die Nordsee Wasserstoff aus Windenergie erzeugt werden soll. Zudem könnte er in Form von Ammoniak über Tanker angelandet werden.

Da Deutschland bis 2045 klimaneutral sein will - also unterm Strich kein CO2 mehr ausstossen darf - will die Regierung Tempo machen. Habeck kündigte an, man werde ähnlich wie bei den Flüssiggasterminals ein Beschleunigungsgesetz für das Kernnetz auf den Weg bringen. Dieses Netz soll ein erster Schritt sein: In den Jahren nach 20232 sollen die kleineren Verteilnetze angeschlossen und Wasserstoff zu weiteren Endkunden bringen. Vorrang soll hier wiederum die Umwidmung von Erdgas-Leitungen haben. Auf Basis eines Netzentwicklungsplans wird der weitere Ausbau in regelmässigen Schritten überprüft.

Bund will bei Finanzierung in Vorleistung gehen

Bereits am Mittwoch will das Bundeskabinett bereits die Finanzierung des Kernnetzes gesetzlich beschliessen: Wie bei Erdgas und Strom sollen die Leitungen durch Entgelte der Nutzer bezahlt werden. Da es aber zunächst relativ wenige Abnehmer geben wird, will der Staat über die nächsten Jahre in Vorleistung gehen, um die Nutzung bezahlbar zu halten und den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu fördern. Die Entgelte sollen zunächst einheitlich sein, wie aus einem Gesetzentwurf zum Energiewirtschaftsgesetz hervorgeht, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Da die Regierung davon ausgeht, dass über die Jahre immer mehr Nutzer auf das Netz zugreifen werden, soll spätestens ab 2055 das Konto ausgeglichen sein. Sollte dann noch ein Fehlbetrag bestehen, müssen sich die Leitungsbetreiber dem Entwurf zufolge zu 24 Prozent an diesem beteiligen. Entgegen ersten Überlegungen soll der Bau also allein von der Privatwirtschaft - wenn auch mit Garantien des Bundes - allein gestemmt werden.

Eine zentrale Rolle bei der Festlegung der Entgelte kommt der Bundesnetzagentur zu. Am Freitag hatte der Bundestag ihre Rolle mit einer Reform des Energiewirtschaftsgesetzes auch mit Blick auf den Wasserstoff gestärkt.

(Reuters)