Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber bleibt bei seinem Veto gegen das Vorhaben, E-Rezepte in Apotheken ohne Geheimzahl (PIN) einlösen zu können. Aus Sorge vor Missbrauch durch kriminelle Apotheker hatte er diesem Vorhaben schon im September einen Riegel vorgeschoben.
Daraufhin hatte die zuständige Digitalisierungsfirma Gematik nachgefragt, ob das Vorhaben in einer abgespeckten Version - und zwar nur in einem begrenzten Kreis von Apotheken - nicht doch möglich wäre. Dies verneinte Kelber am Montag, denn so ein Weg verringere "die Gefahren für die Versicherten nicht ausreichend".
Kein Papierkram mehr
Das E-Rezept soll dem Papierkram bei Verschreibungen perspektivisch ein Ende bereiten, jedes Jahr bekommen gesetzlich Versicherte circa 500 Millionen rosa Zettelchen. Allerdings kommt das Digitalvorhaben nicht in die Gänge, ein Rückschlag folgt dem nächsten.
Zwar können Arztpraxen das E-Rezept auf freiwilliger Basis bei sich ausstellen, die Resonanz ist aber gering. Eine Pilotregion in Westfalen-Lippe sollte der Einführung neuen Schwung geben. Doch nachdem der Datenschützer Kelber Zweifel an der Rechtmässigkeit angemeldet hatte, zogen zwei regionale Ärzteorganisationen in der vergangenen Woche die Reissleine und setzten die Einführung aus.
Die Pilotregion war im September mit 250 Praxen gestartet. Doch das Digitalvorhaben war eine ziemlich analoge Sache: Nur wenige Versicherte konnten die nötige Gematik-App nutzen, wohl weil die Freischaltung samt Verifizierungsprozedere wohl zu mühsam war. Das E-Rezept wurde in den meisten Fällen nicht digital über das Smartphone, sondern über einen Code-Ausdruck übermittelt.
«Bankrotterklärung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen»
Mit dem geplanten Einsatz der Versichertenkarte sollte diese irritierende Ähnlichkeit zum bisherigen Zettelkram ein Ende finden. Dann aber sagte Kelber Nein. Das wiederum verärgerte die Ärzteschaft. Kelbers Entscheidung sei "eine Bankrotterklärung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen", empörte sich der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Thomas Müller.
Kelber quittierte diese Kritik mit Kopfschütteln. Er wies am Montag darauf hin, dass das Vertrauen in das E-Rezept durch möglichen Datenmissbrauch enorm leiden würde. "Neue Funktionalitäten müssen [...] Standardanforderungen an IT-Sicherheit erfüllen und dürfen nicht dem unberechtigten Zugriff auf den gesamten Bestand der E-Rezepte Tür und Tor öffnen." Der Einsatz der Versichertenkarte sei weiterhin möglich, dies aber mit PIN oder einer anderen Form der Authentifizierung. "Ich erwarte von allen Beteiligten, dass bis zum Sommer 2023 eine sichere Lösung für das Abholen von E-Rezepten durch Stecken der elektronischen Gesundheitskarte zur Verfügung steht."
(AWP)