Bislang setzt das indische Militär hauptsächlich auf Technik aus Russland. Das soll sich nun ändern. Wie informierte Kreise berichten, will die Marine-Sparte von Thyssenkrupp zusammen mit der indischen Mazagon Dock Shipbuilders Limited sechs U-Boote bauen. Das Finanzvolumen des Projekts liegt bei geschätzten 5,2 Milliarden Dollar.

Eine vorläufige Vereinbarung beziehungsweise Absichtserklärung wird in Anwesenheit von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius unterzeichnet werden, der heute zu einem zweitägigen Besuch in Neu-Delhi eingetroffen ist.

Pistorius hatte im ARD-Interview bereits angekündigt, der U-Boot-Deal werde bei seinem Besuch in Mumbai am Mittwoch auf der Tagesordnung stehen. Seine Aufgabe bestehe darin, die Verhandlungen zwischen den mit ihm reisenden deutschen Managern und ihren indischen Kollegen zu “begleiten und zu unterstützen.”

Starke französische Konkurrenz

“Es wäre ein grosser und wichtiger Auftrag nicht nur für die deutsche Industrie, sondern vor allem auch für Indien und die indisch-deutsche strategische Partnerschaft”, sagte Pistorius. In einer Erklärung gegenüber Reportern später am Dienstag wies er darauf hin, dass es “natürlich auch Mitbewerber” gebe, darunter aus Frankreich. Die französische Naval Group, deren Hauptaktionär die Regierung in Paris ist, konkurriert mit Thyssenkrupp Marine Systems bei der Herstellung von U-Booten.

Das indische Verteidigungsministerium und Mazagon Dock Shipbuilders reagierten nicht auf Bitten um Stellungnahme. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums und ein Vertreter von Thyssenkrupp Marine Systems wollten sich ebenfalls nicht zum Thema äussern. 

Als Indien vor zwei Jahren den Staatsauftrag für U-Boote ankündigte, hatte Thyssen noch kein Interesse an einer gemeinsamen U-Boot-Produktion vor Ort gezeigt. Angesichts des Krieges in der Ukraine und der Unterstützung Russlands durch China setzt der Westen nun aber verstärkt auf Indien als Gegengewicht.

Indien hat Mazagon Dock Shipbuilders und Larsen & Toubro ausgewählt, um mit ausländischen Rüstungskonzernen zusammenzuarbeiten, um die Diesel-Angriffs-U-Boote zu bauen. Ein wichtiges Ziel für eine Partnerschaft war Thyssenkrupp Marine Systems, einer von zwei U-Boot-Herstellern weltweit, die über einen luftunabhängigen Antrieb verfügen - eine Technologie, die es herkömmlichen U-Booten ermöglicht, länger unter Wasser zu bleiben.

Von Thyssenkrupp hergestellte U-Boote wurden in der Vergangenheit von der indischen Marine eingesetzt, was sie im Vergleich zum südkoreanischen Konkurrenten Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering oder der spanischen Navantia Group zu einer weitaus überzeugenderen Wahl macht.

Bundeskanzler Olaf Scholz möchte, dass deutsche und europäische Rüstungsunternehmen ihre Bemühungen verstärken, Neu-Delhi mit modernen Rüstungsgütern zu beliefern, um die Regierung von Premierminister Narendra Modi dabei zu unterstützen, die Abhängigkeit von Russland im Verteidigungssektor zu verringern.

U-Boote sind für Neu-Delhi aufgrund der alternden indischen Flotte ein zentrales Anliegen. Um den Indischen Ozean wirksam patrouillieren zu können, benötigt die indische Marine mindestens 24 konventionelle U-Boote, von denen sie derzeit nur 16 besitzt. Von dieser Flotte sind abgesehen von sechs kürzlich gebauten Schiffen die übrigen über 30 Jahre alt und werden wahrscheinlich in den kommenden Jahren ausser Dienst gestellt.

(Bloomberg)