Der jüngste Kursanstieg des Dollar im Zuge der Coronavirus-Krise - mit all seinen Verwerfungen an den weltweiten Finanzmärkten - ist dank des Einschreitens der Notenbanken vorerst beendet. Doch Experten geben keine Entwarnung: Der Blick auf die weltweite Finanzkrise 2008 lässt für sie darauf schliessen, dass es für den Dollar weiter nach oben gehen könnte.

"Die Notenbanken haben die Finanzierungsengpässe gelöst, die sie aus der vergangenen Krise kannten, aber in dieser Krise könnten wir einen Schock für die Realwirtschaft sehen", sagte Ilan Solot, heute Stratege bei der Privatbank Brown Brothers Harriman und 2008 Währungshändler bei der Fed.

In den zehn Tagen ab dem 9. März schnellte der Dollar zu fast jeder anderen Währung hoch. Unternehmen und Investoren hamsterten die US-Währung, um in der Coronavirus-Krise ihre Zulieferer, Handelspartner und Gläubiger bezahlen können. Am Geldmarkt schnellten die Kurse hoch, Aktien, Gold und Anleihen wurden zu Bargeld gemacht.

Kursanstieg beim Dollar problematisch

Der Dollar ist mit Abstand die weltweit wichtigste Währung. Ein derartiger Kursanstieg des Dollar ist deswegen problematisch, weil sich die Finanzierungsbedingungen rapide verschlechtern. Das Eingreifen der US-Notenbank Fed ab dem 23. März hat die Lage beruhigt, insbesondere Tauschgeschäfte mit anderen Notenbanken dämpften die Furcht davor, plötzlich ohne Dollar dazustehen. Reicht das aus?

Auch 2008 schnellte der Dollar hoch, die Nachfrage aus dem Ausland stieg gewaltig, am Geldmarkt kam es zu Verwerfungen. Wie auch jetzt konnte die Fed den Anstieg Ende 2008 bremsen - aber nur temporär. Bis März 2009 gewann der Dollar weitere 15 Prozent an Wert, und erst dann fanden die Aktienmärkte ihren Boden.

Diesmal ist unklar, wie lange die Engpässe und die Krise anhalten, weil Hunderttausende Menschen weltweit sich mit dem Virus infiziert haben und Millionen weitere folgen dürften. Damit dürfte auch Bargeld gefragt bleiben.

Stephen Jen, ehemaliger Stratege bei Morgan Stanley und derzeit Hedgefonds-Manager, sieht bei der US-Währung folgenden Mechanismus: Demnach steigt der Dollar-Kurs immer dann, wenn die Lage weltweit schwierig ist und Investoren nach sicheren und liquiden Anlagen suchen.

Schreitet die Notenbank ein, geht der Kurs zurück - und steigt wieder, sobald die US-Wirtschaft anzieht. Jen rechnet damit, dass dies bis Ende des Jahres der Fall sein dürfte; Europa dürfte den Einbruch dagegen erst Ende kommenden Jahres wettgemacht haben.

Angebot und Nachfrage

Erschwert wird die Situation dadurch, dass die Lage am Dollar-Markt auch schon vor der Krise fragil war. Schärfere Regeln nach der Finanzkrise erschweren es den US-Banken, Dollar zu verleihen, zugleich ist die Nachfrage ungebrochen. Am Swap-Markt sind einige der Verwerfungen zu sehen - so liegt ein Barometer für die Finanzierungsbedingungen der Banken auf einem Niveau, das seit der Finanzkrise nicht mehr erreicht wurde.

Marktteilnehmern zufolge deutet das nicht auf Probleme im Interbankenmarkt hin, sondern auf die gewaltige Nachfrage der Unternehmen. Ariel Bezalel und Harry Richards, Fondsmanager bei der Vermögensverwaltung Jupiter, gehen davon aus, dass die Wirtschaft vor einer Phase der Dollar-Engpässe steht: "Es kommen schlichtweg nicht genug Dollar in der Aussenwelt an."

Die massiven Anleihekäufe der Fed, die Devisentauschgeschäfte mit anderen Notenbanken und die weiteren Geldspritzen werden mit Sicherheit helfen. Die Experten der Bank of America verweisen jedoch auf die gewaltigen Summen an Devisengeschäften, an denen der Dollar beteiligt ist: "Die Wahrheit ist, dass die Fed nicht in der Lage ist, Schieflagen bei Angebot und Nachfrage auszugleichen, wenn es einen gewaltigen Ansturm auf den Dollar gibt."

(Reuters)