cash: Der damalige Investment-Chef der Bantleon-Bank sagte bei cash vor ziemlich genau einem Jahr: Es werde 2018 häufiger tiefere, teils heftige Einschläge bei Aktien geben. Er behielt damit recht. Wie sehen Sie die Entwicklung jetzt?

Stephan Kuhnke: Kurzfristig sind wir weiterhin skeptisch. Der gute Jahresstart an den Aktienmärkten ist eine Korrektur des zu heftigen Börseneinbruchs im Dezember. Wir glauben, dass die konjunkturelle Dynamik weiter nachlässt, insbesondere in den USA. Diese Entwicklung wird sich auch auf die Eurozone auswirken. Und die Dynamik wird wahrscheinlich bis ins zweite Quartal hinein zurückgehen. Dann sollte sich eine Bodenbildung einstellen.

Aus welchen Gründen?

Der Hauptgrund ist China. Die Chinesen haben im letzten Jahr viele konjunkturstimulierende Massnahmen ergriffen. Sie haben die Finanzierungskonditionen verbessert. Dann wurde die Mehrwertsteuer gesenkt und es wurden Abzugsmöglichkeiten bei der Einkommenssteuer erhöht. Erste Resultate dieser Massnahmen sehen wir bereits: Die Kreditvergabe in China zieht wieder an. 

Was heisst das für die Aktienmärkte genau in den nächsten Monaten?

Die Aktienmärkte werden wohl kurzfristig nochmals korrigieren. Das könnten durchaus erneut zehn Prozent werden. In einzelnen Aktienmärkten könnten wir die Tiefstände vom Dezember also noch einmal erreichen. Ab Jahresmitte hellen sich dann die Perspektiven für die Eurozone und China wieder auf. Wir erwarten dann eine Steigerung der Aktienmärkte in der zweiten Jahreshälfte. 

Welche Rolle spielt dabei die Leitzinsentwicklung?

Wir rechnen mit der Leitzinswende im Euroraum im vierten Quartal. 

Da sind Sie aber früh dran…

Wir liegen mit unserer Einschätzung abseits des Konsens, das stimmt. Unser Zinsausblick setzt allerdings voraus, dass die Prognose der konjunkturellen Bodenbildung eintrifft. Im Einklang mit unserem Konjunkturausblick müssten also die Renditen von zehnjährigen deutschen Staatsobligationen in nächster Zeit nochmals Richtung null Prozent gehen, bevor sie dann im zweiten Halbjahr sukzessive steigen. Am Jahresende sehen wir die Renditen bei 0,7 bis 0,9 Prozent für die zehnjährige Bundesanleihe. 

Wie sieht die Vermögensaufteilung für 2019 bei Ihnen aus?

Derzeit sind wir defensiv eingestellt. In den Portfolios, in denen wir Aktien halten dürfen, sind wir bei Aktien untergewichtet und bei sicheren Staatsobligationen übergewichtet. Bei diesen sind die durchschnittlichen Restlaufzeiten noch relativ hoch. In den Anleihenportfolios sind die Unternehmensobligationen untergewichtet, weil diese im Einklang mit den Aktienmärkten korrigieren werden. Wir sind ausgewichen in den Bereich der ‘Covered Bonds’ und Quasi-Staatsanleihen. Also Anlagen, die implizite oder explizite Staatsgarantien haben. Im Verlauf des zweiten Quartals werden wir bei der Allokation den Aktienanteil hochfahren können. 

Die Bantleon Bank, die sich einen Namen als Anleihespezialist mit dem Claim des Kapitalerhaltes gemacht hatte, setzte ab 2017 auch auf Aktienstrategien. Das überraschte angesichts des relativ weit vorangeschrittenen Aktienzyklus.

Wir haben im Prinzip in den letzten zehn Jahren zweimal unsere Strategien erweitert. Nach dem Start im Fondsmanagement in 2000 mit der Fokussierung auf Anleihen entwickelten wir ab 2008 den Bereich Multi Asset, weil wir schon damals langfristig niedrige Zinsen prognostiziert hatten. Und wir erwarteten damals schon, dass Pensionskassen oder Kapitalsammelstellen ihren Verpflichtungen ausschliesslich mit Obligationen auf Dauer nicht mehr nachkommen können. 2017 haben wir uns dann gefragt, ob wir uns nur auf die Old Economy konzentrieren wollen oder primär auf Zukunftsbranchen. Wir definierten dann zwei Segmente: Basisinfrastruktur wie zum Beispiel Autobahn- oder Flughafenbetreiber, Telekomantennen oder Gasnetze. Das sind Firmen, die stabile Cash Flows und Gewinne erwirtschaften.

Und das zweite Segment?

Es ist das Segment industrielle Technologie, das heisst produktivitätssteigernde Firmen aus den Bereichen autonomes Fahren, Elektromobilität und Robotik. Mit diesen beiden Bereichen, also Infrastruktur und Technologie, kann man die Zukunft abdecken. Und dafür haben wir uns erfahrene Portfoliomanager zur Seite geholt. Wir leisten uns im Bereich Technologie überdies einen Expertenrat mit neun Universitätsprofessoren, die uns beraten. 

Wurde es Ihnen denn nicht mulmig, als im letzten Jahr die Technologieaktien massiv korrigierten?

Mulmig nicht…

Sondern?

Unsere Portfoliomanager wurden kurzzeitig etwas nervös. Sie hinterfragten, ob die Unternehmen, in die sie investiert hatten, noch die richtigen sind. Alles wurde nochmals überprüft. Aber letztlich kamen wir zum Schluss, dass die Kursrückgänge eine Übertreibung waren. Wichtig ist zudem: Wenn Sie in Technologie-Aktien investiert sind, dann denken Sie nicht in Quartalen, sondern in Jahren. Wir stellen Portfolios mit Blick auf die nächsten fünf Jahre zusammen. 

Die Bantleon Bank hatte lange Jahre verwaltete Vermögen um 10 Milliarden Franken. Jetzt sind es noch rund 6 Milliarden. Was ist passiert?

Im Bereich Multi Asset hatten wir von 2008 bis 2014 einen sehr guten Leistungsausweis, da unsere quantitativen Modelle zur Steuerung der Asset-Allokation sehr gut funktioniert haben. Sehr viele Investoren sind auf den Zug aufgesprungen, was unsere verwalteten Vermögen in die Höhe trieb. Seitdem aber die EZB mit ihren unkonventionellen Massnahmen die Kapitalmärkte manipuliert, sind unsere Modelle ausser Tritt gebracht. Die Investoren, die sehr spät in unsere Multi-Asset-Strategien investiert haben, sprangen dann auch schnell wieder ab. Im Anleihenbereich haben wir gesamthaft gesehen über die Jahre ein kontinuierliches Wachstum, der Aktienbereich ist wie erwähnt noch im Aufbau und kann die Abflüsse auf der Multi-Asset-Seite noch nicht abfedern.

Sie haben mit Bank-Gründer Jörg Bantleon einen starken Ankeraktionär.

Ja das stimmt. Jörg Bantleon verfolgt mit der Bank eine langfristige Strategie. Er gibt uns die Zeit, die neuen Strategien weiterzuentwickeln.

Wie sieht die Kundenzusammensetzung bei der Bank aus?

94 Prozent der verwalteten Vermögen stammen von institutionellen Kunden. Die Retailkunden, deren Anteil in der Spitze einmal bis 18 Prozent betrug, werden nicht direkt von uns betreut, sondern von Vertriebspartnern. Geografisch ist es so, dass aus historischen Gründen zwischen 80 bis 85 Prozent der verwalteten Vermögen aus Deutschland stammen, der Rest verteilt sich auf die Schweiz, Italien, Spanien und Österreich. Dazu muss man wissen, dass ein Drittel unserer Kunden Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Volksbanken sind. Die haben in Deutschland eine ganz andere Marktstellung als zum Beispiel in der Schweiz. Rund 40 Prozent unserer Kunden sind Industrieunternehmen und Pensionskassen. Der Rest des Kundenstammes verteilt sich auf Dachfondsmanager, Privatbanken und Family Offices. 

Stephan Kuhnke ist seit 1999 CEO der Bantleon Bank mit Sitz in Zug und bei der Bank auch Leiter Kapitalmarktanalyse und Portfolio Management. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Commerzbank in Hannover arbeitete er dort in verschiedenen Funktionen, bevor er 1994 als Wertschritfenhändler bei Bantleon begann.

Die Bantleon Bank wurde 1991 von Jörg Bantleon, dem Haupteigentümer und Verwaltungsratspräsidenten, in Hannover gegründet. 1994 erfolgte die Gründung des Sitzes in Zug, der 1998 eine Banklizenz erhielt. 

Das Interview mit Stephan Kuhnke wurde letzte Woche am Institutional Money Kongress in Frankfurt geführt.