Seit Ende September, also seit fast zwei Monaten, dauert der Anstieg an den Börsen nun an, der Dow Jones steht mittlerweile wieder auf dem Stand von Mitte April 2022. Der Swiss Market Index befindet sich wieder auf dem Niveau von Anfang August.
Solche Rallys gibt es in langanhaltenden Bärenmärkten immer wieder. Beim Platzen der Technologieblase um die Jahrtausendwende und der damit verbundenen Rezession gab es sieben Bärenmarkt-Rallyes. Während der globalen Finanzkrise waren es gar deren acht. Das schreiben Investment-Strategen des Aktienspezialisten und Vermögensverwalters Clearbridge Investments, die zu Franklin Templeton gehört, in einer Anlagenotiz.
Bei den grössten dieser Gegenbewegungen an den Aktienmärkten kam es jeweils zu Anstiegen von mehr als 20 Prozent, und die längste dauerte 101 Handelstage beziehungsweise viereinhalb Monate. Bisher gab es am aktuellen Bärenmarkt erst fünf Gegenbewegungen, schreiben die Investment-Strategen von Clearbridge.
Nach Auffassung der Strategen ist es aber bisher noch nicht zu einer nachhaltigen Bodenbildung an den Märkten gekommen. Anleger und Anlegerinnen würden daher mit "ziemlicher Sicherheit" einige täuschende Entwicklungen erkennen müssen – sogenannte "Head-Fakes", zu denen auch die aktuelle Rallye zu zählen sei. Der Begriff "Head-Fakes" stammt aus dem Sport und bezeichnet eine Finte, bei der jemand den Kopf bewegt, um eine beabsichtigte Richtungsänderung anzudeuten und dadurch Gegner zu täuschen.
Laut Clearbridge gibt es mehrere Gründe, warum die aktuelle Rally letztlich im Sande verlaufen werde. Die Hoffnungen auf einen baldigen Kurswechsel der Fed seien zu optimistisch. "Die Notenbanker scheinen zu einer allmählichen Verlangsamung der Zinserhöhungen zum Jahresende und Anfang 2023 bereit zu sein". Darüber hinaus liege die Arbeitslosenquote gegenwärtig auf 50-Jahres-Tiefs und liefere durch kräftige Lohnsteigerungen anhaltende Unterstützung für mehr Dienstleistungsausgaben. Eine verfrühte Kehrtwende vor einer Flaute am Arbeitsmarkt könnte die Inflationsrisiken in die Zukunft verstetigen.
Bereits 30 Wochen in Folge mehr Bären als Bullen
"Vor allem beobachteten wir zu Beginn des letzten Monats, dass die Anlegerstimmung am Tiefpunkt war", schreiben die Investment-Strategen. Auch wenn sich die Stimmungsumfrage der American Association of Individual Investors (AAII) vom viertschlechtesten Bullen-Bären-Spread in ihrer 35-jährigen Geschichte verbessert hatte, nähere sie sich rasch einem anderen Rekord. Mittlerweile finden sich in der Umfrage bereits 30 Wochen in Folge mehr Bären als Bullen.
"Das ist die zweitlängste Phase in der Geschichte dieser Datenreihe. Sofern die Stimmung nicht bald dreht, dürften wir die 34 Wochen mit Bären-Dominanz aus dem Jahr 2020 übertreffen", schreiben die Strategen.
Auch wenn die aktuelle Rally möglicherweise eine Abkehr von übertriebenem Pessimismus darstelle, stünden die Chancen nicht schlecht, dass sie länger dauere und weiter laufe, wenn man das typische Marktverhalten nach US-Zwischenwahlen als Richtschnur anlege. "Die Märkte starten nach den US-Zwischenwahlen, wenn die Unsicherheit um die Mehrheitsverhältnisse im Kongress und die politische Agenda nachlässt, häufig eine Rally. Dies führte in der Vergangenheit zu überdurchschnittlichen Renditen in den auf die Zwischenwahlen folgenden Quartalen."
Der Unterschied könnte heute jedoch darin liegen, dass Rezessionen im dritten Jahr des Präsidentschaftszyklus selten sind und seit dem Zweiten Weltkrieg überhaupt nicht vorkamen. "Auch wenn die Geschichte auf Seiten der Bullen ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten nach unserer Überzeugung weiterhin hoch," so Clearbridge Investments. "Bewahrheitet sich dies, könnte 2023 diese lange beobachtete Wachstumsphase des dritten Jahres abreissen. Eine solche Entwicklung könnte einen der günstigsten saisonalen Trends an den US-Märkten beenden."
(cash)
1 Kommentar
Wow - das sind ja Aussichten. Irgendwann werden dann die Hirschen kommen.....