Am 19. März 2023, also vor rund einem Monat, wurde die Zwangsübernahme der in Schieflage geratenen Credit Suisse durch die UBS besiegelt. Der Deal, orchestriert durch den Bundesrat, die Finma und die Schweizerische Nationalbank, verhinderte wohl eine Bankenkrise in Europa und vielleicht darüber hinaus. 

Die grosse Frage bleibt an den Märkten: Ist die Bankenkrise, die in den USA bei mittelgrossen Instituten wie der Silicon Valley Bank ihren Ursprung nahm, nun vorbei? Kommen noch mehr Grossbanken unter die Räder?

"Unter den Banken hat es eine Gruppe der Schwächsten erwischt", stellt Thomas Mayer, Ex-Chefökonom der Deutschen Bank, im Video-Interview mit cash am Institutional Money Kongress in Frankfurt fest. Das heisse aber nicht, dass anderswo nicht neue Probleme auftreten könnten, so Mayer, der heute in Köln das Flossbach von Storch Research Institute der gleichnamigen deutschen Privatbank leitet.

Mayer meint Schattenbanken und Bereiche von Fonds, dort insbesondere Private Equity. Da liege wahrscheinlich "noch mehr im Busch". Insofern sei man im Finanzbereich punkto Krise noch nicht "durch", aber Mayer gibt der Hoffnung Ausdruck, dass zumindest bei den Banken die grössten Probleme vorbei sind.

Für Mayer sind die Zentralbanken die Auslöser der Krise in der Bankenbranche. Denn die Notenbanken hielten die Zinsen zu lange auf zu tiefem Niveau und ignorierten die Inflation, um dann im Eilzugtempo vor dem Hintergrund der plötzlich rasant steigenden Teuerung die Zinsen erhöhen zu müssen. Das verdeutlicht das Beispiel USA: Noch Anfang März 2022 lag der Leitzins der US-Notenbank Federal Reserve bei null Prozent. Heute liegt die Spanne bei 4,75 bis 5,0 Prozent.

"Die Notenbanken mussten sich natürlich beeilen, weil sie so lange geschlafen hatten", stellt Mayer fest. Banken, die grundlegende Probleme hatten und auch die Zinsrisiken bei den Anlagen falsch einschätzten, spülte es aus dem Markt.

In den Schwellen- und Entwicklungsländern ist eine richtige Schuldenkrise im Gang

Mayer kritisiert im Zusammenhang mit dem Untergang der Banken auch die Arbeit der Regulatoren. Jahrelang hatten sie auch in der Schweiz unter dem Eindruck der Finanzkrise an der "Too big to fail"-Regulierung gearbeitet. Die Anforderungen an systemrelevante Banken umfassen dabei höhere Kapitalanforderungen, höhere Liquiditätsanforderungen oder höhere Anforderungen an Abwicklungsfähigkeit. Die Regulierung kam bei der Credit Suisse gar nicht zur Anwendung, die Bank und die Behörden wurden von der Entwicklung überrollt.

Mayer würde die "Too big to fail"-Regulierung zwar nicht als Farce bezeichnen. Doch man habe unterschätzt, wie wichtig Vertrauen im Bankenbereich und in die einzelnen Institute sei.

"Tier 1 Capital Ratio, Credit Ratio, Liquidity Coverage Ratio und so weiter: Was nützt das dem Regulierer, wenn dann ein Kunde kommt, ein Problem entdeckt und seine Einlagen abzieht." Dies geschah bei der Credit Suisse in Massen, was zum Untergang der Bank führte. Mayer stellt etwas sarkastisch fest: "Die Bankenregulierer haben für sich selbst gearbeitet, aber nicht wirklich für das Publikum. Das rächt sich jetzt."

Der Ökonom sieht Probleme wegen der rasant gestiegenen Zinsen nicht nur im Finanzbereich. "Wir haben eine der grössten Verschuldungen in Industrieländern in Friedenszeiten gesehen. Diese Schuldenberge wurden auch aufgebaut, weil die Zinsen extrem niedrig waren", so Mayer. Jetzt würden diese Schuldentürme wackeln und teils umfallen.

Mayer stellt fest: In Schwellen- und Entwicklungsländern ist eine richtige Schuldenkrise im Gang. Dies ist auch an der Jahrestagung am Internationalen Währungsfonds kürzlich zur Sprache gekommen. Dort wurde betont, dass die armen Länder von einer Art Liquiditätskrise bedroht seien. Der Weltwirtschaft stehen laut der Weltbank deshalb unruhige Zeiten bevor.

"Dies hat die Investmentwelt noch gar nicht thematisiert", warnt Mayer. Ausgang dieser Entwicklung: Ungewiss.

Im cash-Video-Interview schlägt Mayer auch vor, wie das Geld- und Finanzsystem sicherer gemacht werden kann. Er äussert sich auch zu den jüngsten Entwicklungen und Aussichten bei Kryptowährungen.