Geld verdient wird derzeit vor allem an exotischeren Börsenplätzen wie Ägypten, Kolumbien oder Tunesien. Mit Renditen von gegen 30 Prozent sind es Emerging oder Frontier Markets, die in diesem Jahr zu den globalen Überfliegern gehören, wie Daten des Indexanbieters MSCI zeigen. Von den entwickelten Volkswirtschaften kann nur Italien mit der internationalen Spitzengruppe einigermassen mithalten - der dortige Aktienmarkt steht 10 Prozent höher als zu Jahresbeginn.
Ein grosser Teil der Performance stammt von Anfang Jahr, als die Ansetzung von Neuwahlen bei Investoren Hoffnung schürte auf frischen Wind bei wirtschaftlichen Reformen. Die harzige Regierungsbildung hat zwar einen Teil dieser Hoffnungen wieder zunichte gemacht, doch der Leitindex FTSE MIB ist im April dennoch auf über 24'000 Punkte und somit den höchsten Stand seit fast zehn Jahren gestiegen.
Deutliche Outperformance: FTSE MIB (grün) und Euro Stoxx 50 (rot) in den letzten zwölf Monaten (Quelle: cash.ch)
Die Gründe für den Anstieg liegen einerseits bei den positiven Unternehmensresultaten. "Die Firmengewinne beleben sich eindeutig und zeigen, dass Italiens Erholung breit abgestützt ist", schreibt Benjamin Melman, Anlagechef bei Edmond de Rothschild Asset Management, in einem Kommentar.
Andererseits hellt sich auch die Konjunktur auf. Anders als zum Beispiel Deutschland befindet sich Italien noch nicht am Ende des Konjunkturzyklus. Im ersten Quartal 2018 betrug das Wirtschaftswachstum 0,3 Prozent. Das war zwar weniger als in der Euro-Zone insgesamt (+0,4 Prozent). Aber im Unterschied zum Währungsraum hat sich das Wachstum in Italien nicht abgeschwächt, sondern ist stabil geblieben.
Ganz anders sind aber auch die Risiken. Dass Italiens Wirtschaft wieder in eine Phase des Nullwachstums zurückfällt, ist durchaus realistisch. Damit zusammen hängt auch eine drohende Gefahr für die gesamte Euro-Zone.
Fiat und die Banken
Der italienische Markt wird aber auch von einzelnen Grosskonzernen angetrieben. Der Autokonzern Fiat Chrysler etwa hat seinen Marktwert in den letzten zwölf Monaten um mehr als 80 Prozent gesteigert. Fiat Chrysler wurde unter der Führung von Sergio Marchionne deutlich vorangebracht und von einem grossen Teil der Schuldenlast befreit. Trotz fortgeschrittener Kursrally hat die Aktie immer noch Anhänger unter professionellen Investoren. Unlängst hat die US-Investmentbank die Aktie auf ihrer "Conviction buy list" bestätigt und das Kursziel auf 32 Euro angehoben. Am Freitagmittag stand der Titel bei 19 Euro.
Mit einer Marktkapitalisierung von rund 63 Milliarden Franken (etwa gleich viel wie die UBS) ist die Grossbank Intesa Sanpaolo eines der weiteren Schwergewichte an Italiens Börse. Seit Ende März ist der Titel fast 8 Prozent gestiegen, seit Mitte 2016 hat er sich im Wert verdoppelt.
Intesa Sanpaolo hat von der italienischen Bankenkrise profitiert, die zeitlich später einsetzte, als in anderen Ländern. Denn sie ist Nutzniesserin von Pleiten ihrer Konkurrenten, die sie - gestützt durch Staatsgarantien - übernehmen konnte. Neben Filial- und Kundenwachstum ist die Aktie auch aufgrund der Dividendenrendite von 6,4 Prozent attraktiv. Auf der Negativseite steht die starke Fokussierung auf den Heimmarkt und damit die Abhängigkeit von der unsicheren konjunkturellen Lage Italiens.
Bei Analysten steht auch Unicredit hoch im Kurs. Sie sei eine der wenigen Bankaktien aus der Euro-Zone, die man haben müsse, schrieb die Bank Berenberg kürzlich in einem Kommentar. Unicredit weise einen Discount von mehr als 20 Prozent zum Buchwert auf. CEO Jean Pierre Mustier wird am Markt für seine Restrukturierungen und insbesondere das Kostensparprogramm gelobt.
Energie und Luxus
Neben Banken dominieren vor allem auch Energiekonzerne den Lauf der Börse in Mailand. Die Versorger Eni (+21 Prozent) und Enel (+14 Prozent) befinden sich seit Anfang März im Höhenflug und haben durch ihre hohe Marktkapitalisierung auch den Gesamtmarkt gestützt. Der Ölkonzern Eni überraschte jüngst mit einer Dividendenerhöhung, Enel übertraf mit dem Jahresumsatz die Marktprognosen. Die beiden Titel sind aber auch den Volatilitäten der Energiemärkte, namentlich der Öl- und Gaspreise, ausgesetzt.
Vom Börsenwert her eher aus der zweiten Reihe, aber mit einer interessanten Dividendenrendite von 5,2 Prozent, ist die italienische Post. Die Ausschüttung soll bis 2020 jährlich um 5 Prozent angehoben werden. Auch von der Performance her überzeugt Poste Italiane mit einem Anstieg von 29 Prozent in diesem Jahr. Sie schloss 2017 mit einem satten Gewinnanstieg ab und will in Zukunft in Zukunft vor allem in Digitalisierung und Innovation investieren.
Aktienkurs der italienischen Post seit dem Börsengang im Oktober 2015 (Quelle: cash.ch)
Daneben bietet Italiens Aktienmarkt eine Vielzahl bekannter Luxusmarken, darunter Moncler (Sportkleider), Salvatore Ferragamo (Schuhe und Accessoires) oder Luxottica (Brillen). Auch die Online-Modeplattform Yoox Net-A-Porter hat einen steilen Kursanstieg hinter sich. Hintergrund ist ein Kaufangebot des Schweizer Richemont-Konzerns. Die EU-Kartellbehörde hat bereits grünes Licht für die Übernahme gegeben, für Aktionäre ist hier nicht mehr viel zu holen.
Geht es nach Benjamin Melman von Edmond de Rothschild, bleiben italienische Aktien auf Augenhöhe mit ihren Pendants aus der Euro-Zone. Allerdings sieht er Gefahr für Underperformance: Einerseits sei kein Reformprogramm absehbar, andererseits bleibe die italienische Politik die grosse Unbekannte für die Märkte.