Die Finanzmärkte leben förmlich von Erwartungen. Diese wurden von der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstagnachmittag allerdings enttäuscht. Anstatt einer Verdoppelung des negativen Einlagesatzes baute sie diesen nur von 0,2 auf 0,3 Prozent aus, und auch die erhoffte Aufstockung der monatlichen Wertpapierkäufe blieb aus. Immerhin wurde das Kaufprogramm um sechs Monate bis in den März 2017 verlängert.

Die Reaktion an den Märkten liess nicht lange auf sich warten: So ging der breit gefasste Stoxx Europe 600 Index ziemlich genau 4 Prozent unter den im Laufe des Vormittags erklommenen Tageshöchstständen aus dem Handel. Der zuvor schwache Euro machte gegenüber dem Dollar hingegen Terrain gut und gewann zeitweise 2,8 Prozent

Wer jetzt aber denkt, dass die EZB über die kommenden Monate mit weiteren Massnahmen gegen den Preisdruck nachlegen wird, der irrt gewaltig. Dieser Meinung sind zumindest die Ökonomen der Credit Suisse.

Hilfe aus Übersee naht

Für die Experten steht fest: Im Zuge der jüngsten Massnahmen ist die EZB dort angelangt, wo sie sein will. Der Fokus verlagere sich damit auf die Umsetzung der Wertpapierkäufe. Gegebenenfalls biete sich im März noch einmal eine Möglichkeit, Anpassungen bei den technischen Parametern vorzunehmen, so heisst es weiter. Dieser Meinung sind auch die Kollegen der UBS Investmentbank.

Dennoch rechnet man bei der Credit Suisse mit einem zum Dollar schwächeren Euro. Die Ökonomen der Schweizer Grossbank gehen davon aus, dass die Federal Reserve Bank mit graduellen Leitzinserhöhungen das ihre dazu beiträgt. Denn dadurch vergrössert sich der transatlantische Zinsunterschied ohne ein weiteres Zutun der EZB.

Ob die amerikanische Notenbank ihre Leitzinsen noch diesen Monat zum ersten Mal seit Ausbruch der Finanzkrise der Jahre 2007/08 anheben wird, steht allerdings noch in den Sternen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Verantwortlichen den Entscheid auf die lange Bank schieben.

Schadet der Entscheid der Glaubwürdigkeit?

Gerade aus Übersee hagelte es am Donnerstagabend harsche Kritik für die EZB und ihre Entscheidungsträger. Diese galt insbesondere der Kommunikationspolitik. Zentralbankpräsident Mario Draghi habe die Erwartungshaltung im Vorfeld des Entscheids übermässig aufgebauscht und damit seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt, so lautet der Tenor amerikanischer Ökonomen und Anlagestrategen. Vermutlich war der Ton aber auch nur deshalb so harsch, weil die meisten dieser Experten selber auf dem falschen Fuss erwischt worden waren.

Die Vertreter der Schweizerischen Nationalbank (SNB) dürften noch während der Medienkonferenz der EZB erleichtert aufgeatmet haben. Im Zuge der bekanntgegebenen Massnahmen erstarkte der Franken nämlich nicht, er schwächte sich gegenüber dem Euro deutlich ab. Die Angst, dass die SNB von mächtigen Devisenspekulanten aus dem Ausland überrannt werde, erweist sich immer mehr als übertrieben.

Dennoch gehen die Ökonomen der Credit Suisse im Hinblick auf die geldpolitische Lagebeurteilung vom kommenden Donnerstag von einer Ausweitung der negativen Einlagezinsen von 0,75 auf 1 Prozent aus. Ihre Begründung: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hätten sich weiter eingetrübt und die Erwartungshaltung an die SNB sei mindestens genauso hoch wie es jene an die EZB gewesen sei.

Im Devisenhandel wird die Meinung der Schweizer Grossbank nach dem EZB-Entscheid vom Donnerstag nur noch von wenigen geteilt. Die SNB stehe nicht mehr unter unmittelbarem Druck zu reagieren und solle sich möglichst viele Pfeile im Köcher aufsparen, so heisst es. Die jüngsten Wechselkursverschiebungen scheinen diesen Stimmen jedenfalls Recht geben zu wollen.