Eine zweite Anhebung um drei Viertelpunkte in Folge - eine Straffung, die zu Beginn dieses Jahres fast undenkbar schien - ist am Donnerstag so gut wie beschlossene Sache. Damit würde der Einlagensatz auf 1,5 Prozent steigen.

Nur wenige rechnen damit, dass es dabei bleiben wird. Vielmehr fragen sich Anleger und Volkswirte, wie weit die Zinsen angehoben werden können, wenn die Eurozone von einer durch die Energiekrise verursachten Rezession bedroht ist und die Haushalte mit steigenden Heizungs- und Hypothekenrechnungen zu kämpfen haben.

Vor diesem Hintergrund könnten die Tauben in der EZB wieder Auftrieb erhalten, nachdem ihre Appelle zur Vorsicht mit überstürzten Zinsanhebungen durch Inflationsraten von knapp 10 Prozent übertönt worden waren. Von Bloomberg befragte Analysten erwarten den Höchststand des Einlagensatzes von 2,5 Prozent im März. Letzten Monaten war noch ein Peak von 1,5 Prozent prognostiziert worden.

Die zweitägige Ratssitzung dürfte auch härtere Bedingungen für die superbillige Krisenkredite an Banken bringen, die derzeit risikolose Gewinnen auf Kosten der Notenbank produzieren. Auch Hinweise darauf, wie die Währungshüter ihre billionenschweren Anleihebestände abbauen wollen, erhoffen sich die Marktteilnehmer.

"Die EZB ist mit ihrer Inflationsbekämpfung noch lange nicht am Ende", sagt Elmar Völker, ein Bondanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg. "Aber sie könnte ab Anfang 2023 flexibler agieren."

EZB «darf nicht zu früh aufgeben»

Wie weit die Zinssätze in den Bereich hineingehen, wo sie beginnen, die Wirtschaft zu bremsen - ein theoretisches Niveau, das irgendwo bei 2 Prozent liegt - könnte sich als Knackpunkt erweisen.

Die EZB "darf nicht zu früh aufgeben", sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel letzte Woche in Washington, während der slowakische Gouverneur Peter Kazimir drängte, "weiter durchzuhalten". Die Geldmärkte sehen die Zinsen im Jahr 2023 über 3 Prozent - ein Level, das Falken wie der Belgier Pierre Wunsch als "vernünftig" bezeichnet haben.

Die spanische Notenbank hingegen schätzt, dass ein Höchstzinssatz von 2,25 Prozent bis 2,5 Prozent die Inflation mittelfristig auf das 2 Prozent-Ziel der EZB zurückführen kann, während der portugiesische Gouverneur Mario Centeno befürchtet, dass die EZB im schlimmsten Fall zu weit gehen könnte und dann zu einem Rückzieher gezwungen wäre.

Wie Bloomberg Economics es sieht: "Wir denken, dass die EZB ihren Straffungszyklus im Februar 2023 beenden wird. Unter der Annahme, dass die Finanzstabilität gewahrt bleibt, ist dies mit dem Beginn der Bilanzverkleinerung im März vereinbar."

QT wird zunehmend zum Thema

Die Zinsen werden nicht das einzige Thema der Ratssitzung sein. Die Währungshüter könnten härtere Bedingungen für die langfristigen TLTRO-Kredite an Banken beschliessen, die einmal zur Ankurbelung der Kreditvergabe gedacht waren, die nun aber zu grosszügig geworden sind. 

Die quantitative Straffung (QT) - der Abbau von Anleihen im Wert von fast 5 Billionen Euro, die die EZB vor allem während der jüngsten Krise angehäuft hat - könnte ebenfalls zur Debatte stehen, auch wenn noch keine konkreten Massnahmen erwartet werden.

Präsidentin Christine Lagarde sagte den Europäischen Parlament letzten Monat, dass die QT "zu gegebener Zeit" beginnen wird. Einige Ratsmitglieder befürworten eine Verkürzung der Bilanz, indem sie Anleihen einfach auslaufen lassen, während sie sich auf die Zinssätze konzentrieren, um die Inflationserwartungen in Schach zu halten.

(Bloomberg)