Wie schon im März lag die Inflationsrate bei 2,2 Prozent, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten mit einem Rückgang auf 2,1 Prozent gerechnet. Die Währungshüter der EZB streben 2,0 Prozent für die 20-Länder-Gemeinschaft an. Das erachten sie als optimales Niveau für die Wirtschaft. Ihr Ziel liegt inzwischen in greifbarer Nähe.

«Die Dienstleistungspreise zicken ein wenig, weshalb es mit dem EZB-Preisziel nicht ganz klappt», meint Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die Inflationslage bleibe aber entspannt, das werde wohl in den nächsten Monaten so bleiben. Das grösste Inflationsrisiko bleibt aus Sicht von Krüger ein Zollkrieg zwischen Europa und den USA. «Die Inflationsseite gibt der EZB jedenfalls das klare Signal, Leitzinsen weiter zu senken.» Aus Sicht von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, wird die Notenbank in Anbetracht der Teuerung im Dienstleistungssektor Vorsicht walten lassen. «Die EZB wird zwar auf ihrer nächsten Sitzung im Juni den Leitzins erneut um 25 Basispunkte auf zwei Prozent senken, danach aber vermutlich mit weiteren Zinssenkungen sehr behutsam vorgehen.»

Die Euro-Wächter verfolgen seit Mitte 2024 angesichts einer nachlassenden Inflation einen Zinssenkungskurs und haben seitdem die Schlüsselsätze sieben Mal nach unten gesetzt. Der jüngste Zinsschritt erfolgte im April. Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz, der als Leitzins für die Euro-Zone gilt, liegt inzwischen bei 2,25 Prozent. Viele Volkswirte erwarten eine Fortsetzung des Lockerungskurses der Notenbank. Noch Anfang Juni 2024 hatte der Leitzins bei 4,00 Prozent gelegen. Am Finanzmarkt wird die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Zinssenkung im Juni aktuell mit über 80 Prozent taxiert.

Kerninflation legt unerwartet kräftig zu

Im April nahm die Inflation bei den Dienstleistungen auf 3,9 Prozent zu nach 3,5 Prozent im März. Die Teuerung bei den Dienstleistungen steht bei den Währungshütern besonders im Fokus. Denn der Preisanstieg in dem Sektor war zuletzt einer der stärksten Treiber der Inflation. Die Energiepreise sanken indes um 3,5 Prozent nach einem Rückgang von 1,0 Prozent im März. Die Preise für Industriegüter ohne Energie nahmen wie schon im März um 0,6 Prozent zu. Lebensmittel, Alkohol und Tabak verteuerten sich im April um 3,0 Prozent nach 2,9 Prozent im März.

Die Kerninflation, bei der die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben, erhöhte sich auf 2,7 Prozent. Volkswirte hatten mit 2,5 Prozent gerechnet, nach 2,4 Prozent im März. Die EZB achtet besonders auf dieses Mass, weil es zugrundeliegende Inflationstrends gut widerspiegelt.

Wie in der gesamten Währungsgemeinschaft nahmen in Deutschland, der grössten Volkswirtschaft im Euroraum, die Verbraucherpreise im April um 2,2 Prozent zu. Die höchste Inflationsrate unter den Euro-Ländern wies Estland mit 4,4 Prozent aus, gefolgt von Lettland und den Niederlanden mit jeweils 4,1 Prozent. In Frankreich war die Teuerung im April mit 0,8 Prozent am niedrigsten. 

(Reuters)