Vor 493 Wochen ging die Party an den Aktienmärkten los. Damals, am 9. März 2009, erreichten die Börsen in den USA nach dem Ausbruch der Finanzkrise ihren Tiefpunkt. Der Wert des breit definierten Börsenindex S&P 500 hat sich seither mehr als vervierfacht. Mehr noch: Ein heftiger Crash ausgeschlossen, wird das bis am Mittwochabend die längste Börsenrally der Geschichte.

Dass es so weit gekommen ist, ist für viele Beobachter erstaunlich. Denn die Börsenhausse wurde mehr als einmal für beendet erklärt. So zum Beispiel im September 2015, als die chinesischen Märkte von ihren Höchstständen mehrmals korrigierten und weltweit unter Investoren für Verunsicherung verbreiteten. Oder im zweiten Quartal 2013, als der damalige Fed-Chef Ben Bernanke in seinem Halbjahresbericht an den US-Kongress schrieb, die Fed werde ihr Anleihen-Kaufprogramm möglicherweise reduzieren. 

Zuletzt sorgte der Absturz der türkischen Lira an den Schwellenländerbörsen für heftige Turbulenzen. Entscheidend für die aktuelle Rekordjagd ist aber das Ausbleiben eines Bärenmarktes in den USA. Zur Erinnerung: Von einem Bärenmarkt spricht man, wenn die Börsenkurse von ihrem Höchststand um 20 Prozent einbrechen.

Bisher galt eine Phase von insgesamt 3452 Tagen (493 Wochen oder 113 Monate) in den 1990er Jahren als längste Aktienhausse der Geschichte. Der S&P 500 legte in dieser Zeit sogar 417 Prozent zu. Punkto Performance ebenfalls beeindruckend war die Zeit zwischen Juni 1932 und März 1935, als die Rendite rund 320 Prozent in nur 57 Wochen betrug, wie die folgende Tabelle zeigt.

Bullenmärkte bei US-Aktien

StartEndePerformance (in %)Dauer (in Monaten)
01.06.193205.03.1937+32357
29.04.194229.05.1946+15349
14.06.194902.08.1956+26586
22.10.195712.12.1961+8650
27.06.196209.02.1966+7944
07.10.196629.11.1968+4825
26.05.197011.01.1973+7432
03.10.197428.11.1980+12673
12.08.198228.05.1987+22960
04.12.198716.07.1990+6531
11.10.199024.03.2000+417113
09.10.200209.10.2007+10160
09.03.2009???

Quellen: BofA Merrill Lynch, Bloomberg

Im kommenden September ist es zudem zehn Jahre her, seit die US-Bank Lehman Brothers mit ihrem Zusammenbruch die Finanzkrise auslöste. Als Reaktion darauf und auf die nachfolgende Schuldenkrise in Europa haben die Notenbanken ihre Leitzinsen gegen Null (oder darunter) gesenkt und die Märkte mit billigem Geld geflutet. Das ist der wichtigste Grund, weshalb die Aktienkurse in den letzten Jahren praktisch ununterbrochen gestiegen sind.

Gleichzeitig haben sich die Renditen auf sicher geltende Staatsanleihen praktisch in Luft aufgelöst, was den Gang an die Aktienmärkte für viele Anleger zusätzlich opportun machte. Auch an der Schweizer Börse hat das Tiefzinsumfeld für einen Boom gesorgt. Zwischen März 2009 und heute ist der Swiss Performance Index (SPI) um 200 Prozent geklettert. Der heftigste Einbruch hierzulande fand statt als die Schweizerische Nationalbank im Januar 2015 den Euro-Mindestkurs überraschend aufgab. Doch auch diese Kursdelle wurde längst wieder ausgewetzt.

Gewinne steigen weiter

Begleitet wurde das börsenfreundliche Umfeld der letzten Jahre aber auch durch eine weit verbreitete Steigerung der Unternehmensgewinne. Wie Analysten von Morningstar ausgerechnet haben, betrug der reale Gewinn pro Aktie des S&P 500 seit 2010 stets mehr als 80 Dollar und erreichte im letzten Jahr einen neuen Rekord von 111 Dollar. Vor 2010 wurde die 80-Dollar-Marke nur zweimal geknackt. Die laufende Bilanzsaison in den USA wird von Analysten gar als bester aller Zeiten bezeichnet.

Mehr denn je sorgt jedoch die folgende Frage für Diskussionen: Was könnte die Hausse zu einem Ende bringen? Einige Nervosität hat die anhaltende Diskussion zwischen den USA und China um Zölle und Handelsbarrieren verursacht. Auch die Regierungskrise in Italien rief vielerorts in Erinnerung, dass in der Euro-Zone noch manches Problem ungelöst ist. Für eine Trendumkehr an den Märkten reichten aber auch diese Entwicklungen nicht.

Ein häufig geäussertes Argument ist zudem, die Börsenhausse habe zu Übertreibungen geführt und zu ungerechtfertigt aufgeblasenen Unternehmenswerten. So hat der iPhone-Hersteller Apple jüngst als erster amerikanischer Konzern überhaupt eine Marktkapitalisierung von einer Billion Dollar erreicht.

Welchen Wert haben Bewertungen?

Das, so die warnenden Stimmen, sei ein untrügliches Zeichen einer nahenden Kurskorrektur. Das Shiller P/E, ein bekanntes Instrument zur Messung von historischen Unter- oder Überbewertungen an den Märkten, ist mittlerweile auf den zweithöchsten Stand der Geschichte gestiegen. Derweil erreichte der S&P 500 am 26. Januar ein neues Allzeithoch bei 2873 Punkten. Derzeit notiert der Index nur knapp darunter bei 2857 Punkten.

Kommt hinzu, dass die amerikanische Notenbank Fed den Weg des billigen Geldes nun tatsächlich verlässt. Zehnjährige US-Staatsanleihen rentieren wieder mit 2,9 Prozent, während sie vor einem Jahr noch bei 2,2 Prozent standen. Somit werden sie wieder zu einer ernst zu nehmenden Alternative zu Aktien. Zudem sorgen die Zinserhöhungen in den USA für Rezessionsängste. Dazu könnte es kommen, wenn die Fed ihre Zinsen zu rasch erhöht und so das Wirtschaftswachstum abwürgt.

Übrigens: Der Kursrückgang zwischen Juli und Oktober 1990 (siehe Tabelle weiter oben) war nach genauen Berechnungen nur knapp ein Bärenmarkt. Man könnte also auch argumentieren, dass der damalige Bullenmarkt bereits 1987 begann und somit insgesamt mehr als zwölf Jahre dauerte. Gemäss dieser Definition müsste die aktuelle Börsenparty also noch bis Juni 2021 weitergehen, um als neuen Rekord gefeiert zu werden. Ein Ding der Unmöglichkeit?