Der Medienkünstler und Architekt Refik Anadol wurde 1985 in Istanbul geboren. Er lebt heute in Los Angeles. Anadol gilt in der Kunstwelt als Pionier in der Ästhetik der maschinellen Intelligenz. Seine Werke erzielen bei Auktionen siebenstellige Summen.

cash: Herr Anadol, Künstliche Intelligenz (KI) ist das Hauptthema am diesjährigen WEF. Sie sind der wohl bekannteste Künstler weltweit, der KI in die Kunstwerke einfliessen lässt. Wie lange machen Sie das schon?

Refik Anadol: Mit dem Studio, mit welchem wir zusammenarbeiten, machen wir dies seit 2016. Wir arbeiten mit Millionen Bilddaten, Texten, Bildern, Skulpturen und verschiedene Formen von Kunst. Nach acht Jahren haben wir sehr viel gelernt, wie man KI in der Kunst einfliessen lassen kann. Wir haben viele Hochs und Tiefs gehabt und auch viel über Ethik nachdenken müssen.

Wie lange brauchen Sie zum Beispiel für das Werk, das Sie hier im Kongresshaus am WEF ausstellen?

Kurz erklärt: Wir begannen mit 13 Bildern, die von jungen Künstlern gemalt wurden. Wir brachten dann die Bilder zusammen mit unserer Studioästhetik und Künstlicher Intelligenz. Bei diesem Werk kommt speziell noch dazu, dass Echtzeitdaten einer Wetterstation aus dem Regenwald beigefügt werden. Insgesamt dauerten die Arbeiten etwa acht Monate.

Traditionelle Kunst wie Bilder oder Skulpturen können nicht abgeändert werden. Ihre Werke dagegen sind digital und fliessend. Es gibt KI-Künstler, die Preise abgelehnt haben, weil sie sagten, die Kunst sei nicht gar von ihnen.

Deshalb benutzen wir unsere Anwendung Dataland (deutet auf eine Leinwand neben dem Kunstwerk). Wir machen unsere nach ethischen Kriterien zusammengestellten Daten publik, die von Organisationen und Instituten stammen. Wir können also exakt nachweisen, woher die Daten stammen.

Der Kunstmarkt ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Spüren Sie die Nachfrage auch? Und welches sind Ihre Märkte?

Die Nachfrage ist gestiegen. Die Interessenten für unsere Werke sind im oberen Segment zu finden. Aber auch Museen zeigen zunehmend Interesse. Letztes Jahr hat das Museum of Modern Arts in New York mit unserer 'Unsupervised-Serie' ja zum ersten Mal ein Kunstwerk in Token-Form gekauft, um es in seine permanente Sammlung aufzunehmen.

Kann Kunst wie Ihre eines Tages zum Massenmarkt werden?

Selbstverständlich. Die Leute lieben das Sammeln. Das war schon immer so.

Wie hat sich der Wert Ihrer Werke entwickelt?

Der Wert ist langsam und vernünftig gestiegen, Spekulanten hat es nicht. Unsere Werke sind sauber, einfach und transparent. Ich glaube, die Leute erkennen den Aufwand, der hinter unseren Werken steckt. Es ist Modell- und Teamarbeit. Rund 50 Leute stecken hinter einem Werk. Ich glaube, aus diesem Grund steigen die Preise für Kunst.

Der Markt für Non Fungible Token, also digitale Sammlerstücke, ist in den letzten ein, zwei Jahren zurückgegangen…

…nicht bei uns (lacht). Es ist alles eine Frage, was Kunst ist. Kunst ist Kunst, und Du bist der Schöpfer dieser Kunst.

Ist ein Werk, das Sie zum Beispiel hier am WEF ausstellen, eines Tages mehr Wert als ein Van Gogh?

Vielleicht nicht. Aber schauen Sie, ein Werk ändert seinen Preis im Lauf der Zeit. Und ich bin überzeugt, dass KI-Künstler mit ihren Werken hohe Preise erzielen werden.

Daniel Hügli
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