Die Zinssätze steigen weltweit in einem rasanten Tempo an. Aus diesem Grund machen sich Wirtschaftswissenschaftler allmählich Sorgen über die Schuldenberge, die in den Jahren aufgebaut wurden, als die Kreditkosten nahe Null lagen. Die USA haben eine Staatsverschuldung von über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Gesamtverschuldung des Staates und der Privatwirtschaft liegt bei über 300 400 Prozent des BIP. 

Star-Ökonom Nouriel Roubini schlug erst letzte Woche Alarm. Er warnte, dass der steile Anstieg der Zinssätze die Fähigkeit von Haushalten und Unternehmen, ihren Kreditrückzahlungsverpflichtungen nachzukommen, untergraben könnte. Dies könne "die Mutter aller Wirtschaftskrisen" auslösen, sagte Roubini, dessen Vorhersage der Immobilienblase, die zur US-Finanzkrise vor mehr als einem Jahrzehnt führte, ihm den Spitznamen Dr. Doom einbrachte.

Roubini schloss sich mit seinen Aussagen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank an. Deren Chefs haben davor gewarnt, dass die steigende Schuldenlast die Weltwirtschaft in eine schwere Rezession stürzen könnte. Die Bedenken, ob die hohe Verschuldung der US-Wirtschaft nachhaltig ist, sind gewachsen, nachdem die US-Notenbank Fed ihren Leitzins auf 4 Prozent angehoben hatte - im März lag dieser zwischen null und 0,25 Prozent. Auch andere Zentralbanken auf der ganzen Welt haben die Zinssätze stark angehoben, um den Preisanstieg zu bekämpfen. 

Das Finanznachrichtenplattform Markets Insider hat zusammengetragen, warum Ökonomen wie Roubini sich stärker mit dem Risiko einer Schuldenkrise beschäftigen - und warum ein solcher Fall zu einem Börsencrash führen könnte.

Warum ist die weltweite Verschuldung gestiegen?

Nach der weltweiten Finanzkrise von 2008 überschwemmten die Zentralbanken die Märkte mit billigem Geld, indem sie die Zinssätze auf ein Rekordtief senkten und eine Politik der quantitativen Lockerung (QE) einsetzten, um Finanzanlagen in Billionenhöhe zu kaufen.

Der Rückgang der Kreditkosten erleichterte Unternehmen, Regierungen und Haushalten die Aufnahme von Krediten und förderte das Aufkommen dessen, was Roubini als "Zombies" bezeichnet - Menschen und Unternehmen, die sich eher durch billige Schulden als durch solide Finanzen auszeichnen. Jetzt, da die Zinssätze in diesem Jahr stark angestiegen sind, wird es für diese Kreditnehmer immer schwieriger, ihre Kredite zurückzuzahlen.

Wie sieht es mit den Zinssätzen aus?

Die US-Notenbank Fed hat die Zinssätze stark erhöht, um die Inflation einzudämmen, die sich auf einem Vierzigjahreshoch befindet. Am Markt wird an diesem Mittwoch mit einem weiteren Zinsschritt von 0,5 Prozent gerechnet.

Diese geldpolitische Straffung zielt darauf ab, die Konsumentenausgaben zu senken, was dazu beitragen würde, den Preisanstieg zu bremsen. Sie verteuert aber auch die Kreditaufnahme, so dass es für Privatpersonen teurer wird, einen Kredit für den Kauf eines Hauses aufzunehmen, für Unternehmen, in ihr Geschäft zu investieren, und für Regierungen, Ausgaben für Bildung oder Gesundheit zu tätigen.

Was könnte als nächstes passieren?

Roubini hat davor gewarnt, dass eine Kombination aus steigender Verschuldung, hoher Inflation und geringem Wachstum einen weltweiten Wirtschaftsabsturz auslösen wird - und dass Aktien um weitere 25 Prozent fallen könnten. Zentralbanken wie die Fed werden nicht in der Lage sein, einen Wirtschaftsabschwung zu verhindern, da die Verbraucherpreise schneller steigen würden, wenn die politischen Entscheidungsträger die Straffung lockern würden, sagte er.

"Die Mutter aller stagflationären Schuldenkrisen kann aufgeschoben, aber nicht vermieden werden", schrieb Roubini letzte Woche in einer Stellungnahme. Der IWF und die Weltbank haben den Anstieg der Verschuldung wiederum jüngst mit erhöhter Instabilität in Verbindung gebracht. Die Gefahr einer Krise könnte die Märkte im nächsten Jahr weiter in Unruhe versetzen.

Droht eine Finanzkrise 2008 2.0?

Es erstaunt nicht, dass Ökonomen oftmals Vergleiche zwischen der aktuellen Situation und der letzten grossen Finanzkrise ziehen. Im Jahr 2008 trugen billige Kredite und lockere Kreditvergabestandards dazu bei, dass eine Immobilienblase entstand - und als diese platzte, stürzten die Preise ab und exponierte Banken gingen pleite.

Roubini zieht Vergleiche zwischen dem Anstieg der Schulden, der viele Ökonomen derzeit beunruhigt, und der globalen Finanzkrise, als die Aktienmärkte rasch etwa die Hälfte ihres Wertes verloren.

Während also der Krieg in der Ukraine, steigende Zinsen und eine drohende Rezession die Märkte beherrschen, könnte eine potenzielle Schuldenkrise die lange Liste der Sorgen der Anleger für 2023 schnell in die Höhe treiben.

(cash)