Zugegeben: Prognosen bei Währungen sind per se schon schwierig. Kommen dann noch völlig unerwartete Ereignisse wie die Aufhebung der Kursuntergrenze der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im frühen 2015 dazu, welche die Devisenmärkte wochenlang in Atem halten, dann werden solche Prognosen fast unmöglich. 

Das mussten auch die Strategen von zwei grossen angelsächsischen Banken schmerzvoll erleben. Sie schätzten noch im Sommer den Franken viel stärker ein, als er am Jahresende nun tatsächlich ist. Der Euro werde bis Ende Dezember dieses Jahres auf 1,01 Franken fallen, schrieb etwa J.P. Morgan noch Ende Juni.

Noch viel aggressiver war die Schätzung der HSBC: Europas grösste Bank sah den Euro Ende 2015 auf 95 Rappen abgleiten. Das ist eine mittlere Weltreise vom derzeitigen Stand von etwa 1,08 Franken pro Euro entfernt. Am anderen Ende lag die Banque Cantonale Vaudoise etwas daneben. Noch im September sagte sie einen Kurs von 1,13 bis 1,15 bis Ende Jahr voraus.

Realistischer waren die beiden Schweizer Grossbanken: Die UBS rechnete zwar noch im Juni damit, dass der damalige Kurs von 1,05 bis Ende 2015 Bestand haben werde. Im August revidierte man diese Einschätzung und sprach von einer Drei-Monats-Prognose von 1,08. Schon Ende Juli erhöhte die Credit Suisse ihre Drei-Montas-Prognose ebenfalls auf 1,08 und setzte im September mit einer Voraussage von 1,10 bis Ende Jahr noch einen drauf. 

Nahe an den tatsächlichen Kurs kam Thomas Stucki mit seiner Prognose. Der Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, der früher die gleiche Funktion bei der SNB innehatte, prognostizierte im September den Euro-Franken-Kurs für Ende Jahr bei 1,07. 

Ein kleiner Trost für die Strategen, die beim Franken-Eurokurs daneben lagen: 2015 war generell ein mieses Jahr für die Devisenauguren, wie Bloomberg kürzlich schrieb. Der Fall der Rohstoffpreise auf ein 16-Jahres-Tief und schlechte Wachstumszahlen in den Schwellenländern machten viele Prognosen zur Makulatur. Darüber hinaus gab die US-Notenbank auch noch dem Dollar Auftrieb, indem sie Mitte Dezember ihren ersten Zinsanhebungszyklus seit neun Jahren startete.

Prognosen revidiert

Dass sich gerade die traditionelle Fluchtwährung Franken in den letzten Monaten nicht wieder aufgewertet hat, ist ziemlich erstaunlich angesichts der weltweit unstabilen geopolitischen und ökonomischen Verhältnisse. Über die Gründe darf gestritten werden. Die SNB beansprucht für sich, dass die im Januar von ihr eingeführten Negativzinsen und ihre Drohkulisse mit den Marktinterventionen nun ihre Wirkungen zeigen und Franken-Investoren abschrecken. Sie hat keine interne und nicht-kommunizierte Kursuntergrenze, bei der sie am Markt interveniert, wie SNB-Präsdient Thomas Jordan im cash-Video-Interview Mitte Dezember erklärte. 

Analysten gehen aber davon aus, dass vielmehr die Europäische Zentralbank mit dem Verzicht auf eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik der SNB geholfen hat und abwertend auf den Franken wirkt. Dies gilt auch für die Zinserhöhung in den USA, die damit den Dollar wieder attraktiver macht - auch als Fluchtwährung.

Die Entwicklung des Währungspaares Euro/Franken in den letzten Monaten hat die Devisenauguren für ihre Prognosen 2016 nicht unbeeindruckt gelassen. Laut den Schätzungen zeichnet sich eine weitere Abwertung des Frankens ab. Nach der Durchsicht von über zehn Studien und Schätzungen von Banken ergibt sich ein Durchschnittswert von zwischen 1,10 und 1,11 Franken pro Euro für Ende 2016.

Wieder 1,02 zum Euro?

Ein weiter sich abschwächender Franken wäre insbesondere den exportorientierten Schweizer Unternehmen und dem Tourismus willkommen. Der von Unternehmern und Politikern in der Vergangenheit noch als akzeptabel bezeichnete Kurs wurde bei 1,10 Franken angesetzt.

Repräsentativ für viele Banken ist die St. Galler Kantonalbank mit ihrem Ausblick. Sie hat ihre Prognosen leicht angehoben und rechnet mit einem Kurs von zwischen 1,07 und 1,12 Franken pro Euro Ende 2016. Das Wealth Management der UBS hat eine Schätzung von 1,10, ebenso die Basler Kantonalbank. Am weitesten lehnen sich die Strategen von Barclays und ABN Amro mit einer Kursprognose von 1,18 beziehungsweise 1,15 Franken pro Euro für das vierte Quartal 2016 aus dem Fenster. 

An anderen Ende steht - erraten - die HSBC. Sie hat für das frühe 2016 ihre Prognosen zwar der Realität angepasst. Die Bank sieht den Franken im ersten Quartal noch bei 1,09. Während des Jahres soll sich die Schweizer Währung aber sukzessive aufwerten und im vierten Quartal bei 1,02 zum Euro stehen.

In dem meisten dieser Prognosen nicht mit eingerechnet sind Faktoren, welche Devisenkurse so unberechenbar machen. Nämlich wirtschaftliche und politische Fehlentwicklungen in der Europäischen Union, eine Eskalation des Krieges in und um Syrien sowie die latente Terrorgefahr. Sie haben alle das Potenzial, den Franken schlagartig wieder aufwerten zu lassen. Und dann bekäme HSBC womöglich endlich recht.