Wie aus einem am Mittwoch versehentlich zu früh veröffentlichten Bericht der unabhängigen Haushaltsbehörde (Office for Budget Responsibility, OBR) hervorgeht, dürften die Massnahmen bis zum Steuerjahr 2029/30 geschätzt 26,1 Milliarden Pfund (knapp 30 Milliarden Euro) pro Jahr zusätzlich in die Staatskasse spülen. Davon sollen 15 Milliarden Pfund aus einer höheren Besteuerung von Privatpersonen und 11,1 Milliarden aus anderen Steuern stammen. Im Vorfeld hatten Ökonomen mit Steuererhöhungen im Umfang von 20 bis 30 Milliarden Pfund gerechnet.
Noch vor einem Jahr hatte Finanzministerin Rachel Reeves erklärt, die öffentlichen Finanzen seien stabilisiert und es werde keine weiteren Steuererhöhungen geben. Damals wurden Steuererhöhungen im Volumen von 40 Milliarden Pfund angeordnet - mit dem Hinweis, dies werde eine Ausnahme bleiben. Es war damals die grösste Anhebung seit den 1990er Jahren.
«Zweifellos werden wir erneut auf Widerstand stossen», sagte die Labour-Politikerin am Mittwoch im Parlament in London. «Ich bitte alle, einen Beitrag zu leisten, aber ich kann diesen Beitrag so gering wie möglich halten, da ich heute weitere Reformen unseres Steuersystems vornehmen werde, um es fairer zu gestalten und sicherzustellen, dass die Reichsten den grössten Beitrag leisten.» Reeves will Arbeiter dabei genauso anzapfen wie Sparer und Investoren.
Unter anderem werden die Freibeträge für die Einkommensteuer bis 2030/31 eingefroren. Dies ist eine Form der schleichenden Steuererhöhung, da mehr Menschen durch Lohnerhöhungen in höhere Steuerklassen rutschen. Eine neue Steuer auf Immobilien im Wert von mehr als zwei Millionen Pfund soll ab April 2028 eingeführt werden. Diese Abgabe wird zusätzlich zur bestehenden Kommunalsteuer erhoben. Sie soll auf den Immobilienwerten von 2026 basieren. Die Mineralölsteuer wird weiterhin nicht erhöht. Die Sätze sind seit 2011 eingefroren, da die Regierungen Proteste von Autofahrern fürchteten. Ab April 2028 wird eine neue kilometerabhängige Abgabe für Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge eingeführt. Damit soll etwa ein Viertel der Einnahmeverluste aus der Mineralölsteuer ausgeglichen werden, die durch den Umstieg auf E-Autos bis 2050 erwartet werden. Die Steuersätze auf Dividenden werden um zwei Prozentpunkte angehoben. Ab April des kommenden Jahres steigt der Satz für den Grundtarif auf 10,75 Prozent, für die höheren Steuersätze auf 35,75 Prozent. Ausserdem sollen die Abgaben auf Glücksspiel erhöht werden.
Keine Sparwelle
Reeves hatte im Vorfeld ihrer Rede bereits gesagt, die Regierung wolle Menschen mit ihren hohen Lebenshaltungskosten nicht alleine lassen, gleichzeitig aber auch das Haushaltsdefizit verringern. Es werde keine neue Sparwelle geben. Die öffentlichen Finanzen in Grossbritannien sind unter Druck, weil der demografische Wandel immer stärker zu spüren ist und die Verteidigungskosten steigen. Ausserdem hat die Wirtschaft seit dem EU-Austritt immer wieder geschwächelt.
Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge sind nur neun Prozent der Briten mit der Arbeit von Reeves zufrieden, während 61 Prozent sie ablehnen. Auch in ihrer eigenen Labour-Partei wächst die Unruhe über den Kurs der Regierung. Zur Verunsicherung von Investoren und Wählern hatten zuletzt auch widersprüchliche Signale von Reeves und Premierminister Keir Starmer zur Steuerpolitik beigetragen. Die nächste Parlamentswahl in Grossbritannien steht allerdings nicht vor 2029 an.
(Reuters)
