cash.ch: Herr Fiore, haben Sie Ihre Säule-3a-Einzahlung schon gemacht - oder werden Sie sie noch machen?
Nico Fiore: Ich bezahle jeden Monat einen Zwölftel des Maximalbetrags per Dauerauftrag ein. Daran hat und wird sich nichts ändern.
Rechnen Sie also nicht damit, dass Sie beim Bezug des eingezahlten Kapitals höhere Steuern bezahlen müssen?
Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich weit von der Pensionierung entfernt bin. Der Grossteil der Einzahlungen und der Zinseszinseffekt liegen noch vor mir. Das heisst aber nicht, dass ich von einem Scheitern der geplanten höheren Kapitalbezugssteuer ausgehe - auch wenn es starken Gegenwind gibt.
Woher kommt dieser Gegenwind Ihrer Wahrnehmung nach?
Es sind nicht nur die Pensionskassen und ihre Fachverbände, die aufschreien und sagen, die höheren Steuern seien falsch. Auch Banken und Versicherer als Anbieter von Vorsorgelösungen wehren sich. Zudem haben sich Beratungsunternehmen kritisch geäussert. Der Widerstand kommt von verschiedenen Seiten und ist daher breit abgestützt. Das ist positiv.
Kommt dieser Widerstand aus der Befürchtung, die Vorsorge der Leute werde geschwächt - oder sieht man das eigene Geschäft gefährdet?
Die Motive der anderen kenne ich nicht. Zu den Pensionskassen kann ich sagen, dass sie wegen der höheren Steuern nicht mit geringeren Einzahlungen rechnen. Die Beiträge sind ja lohnabhängig und obligatorisch. Sorgen macht mir aber, dass die Steuererhöhung auf das Image der Pensionskassen abfärbt. Sie kennen die Diskussion um die sinkenden Umwandlungssätze und um die angeblich hohen Verwaltungskosten. Höhere Steuern auf Kapitalbezüge würden eine weitere Flanke öffnen. Das hilft dem Vorsorgesystem nicht, wobei es doch keine Rolle spielt, dass der Bund und nicht die Pensionskassen den Menschen eine höhere Steuerlast auferlegt. Entscheidend ist, was die Leute wahrnehmen. Vermutlich sind die Pensionskassen in puncto Image allein schon aufgrund der laufenden Diskussion Verlierer.
Der Zug fährt, der Bund will die Sätze der Kapitalleistungssteuern erhöhen - eine Mehrbelastung. Ihr Verband lehnt diesen Plan ab. Warum genau?
Das Vorhaben ist Teil eines Entlastungspakets. Doch das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es ist doch fragwürdig, dass man den Bundeshaushalt entlasten will, dafür aber die Versicherten zusätzlich belastet. Warum sollen sie ausbaden, was die Ausgabenfreude der Politik in Bern verursacht hat? Ausserdem werden die Leute vor eine Wahl zwischen Pest und Cholera gestellt: Der Kapitalbezug wird unattraktiver, die heute vergleichsweise hohen Steuern auf den Renten bleiben. Das ist keine gute Lösung.
Die Expertengruppe, die den Vorschlag ausformuliert hat, sah zwei Vorteile in der Aufhebung der Steuerprivilegierung des Kapitals gegenüber der Rente: Zum einen werde eher vermieden, dass Leute nach einem Kapitalbezug in die Ergänzungsleistungen fallen. Zum anderen sinke der Anreiz zur Steueroptimierung via die Altersvorsorge. Weshalb sind diese Argumente nicht valide?
Diese Argumente sind spannend. Aber ich glaube, die Diskussion um Fehlanreize führt in die falsche Richtung. Man könnte die ganze Steuerdiskussion entschärfen, indem man das System umstellt. Ein Weg ist die einmalige Besteuerung der Rente aufgrund des Barwertes zum Zeitpunkt der Pensionierung. Alle weiteren Rentenbezüge wären dann steuerfrei.
Als Alternative zu den nun angedachten Plänen schlagen Sie und Ihr Verband Modelle vor, bei denen der Rentenbezug teilweise steuerlich entlastet würde. Wie sehen diese Modelle ganz konkret aus?
Wir haben sie nicht durchgerechnet. Im Prinzip schlagen wir eine Mischrechnung vor: Die Rente sollte etwas tiefer und der Kapitalbezug könnte moderat höher besteuert werden. So wird die Wahl zwischen den beiden Optionen nicht mehr durch Steueranreize verzerrt. Man würde sogar positive Anreize und einen Ausgleich, eine Harmonisierung schaffen.
Würden Sie diese Diskussion auch losgelöst vom Entlastungspaket des Bundes führen?
Ja, bestimmt, weil wir diese Frage aufgrund der zunehmenden Kapitalbezüge ohnehin führen sollten. Diese Wahl ist aus steuerlichen Gründen momentan vielleicht attraktiv. Aber das ist nicht alles. Hinzu kommt das Langlebigkeitsrisiko und die Herausforderung, das Vermögen selber zu verwalten.
Wie verträgt sich die von Ihnen vorgeschlagene Lösung mit dem Anliegen, dass der Bundeshaushalt auch über Mehreinnahmen wieder ins Lot kommt?
Gar nicht, wenn ich es offen sagen soll. Ich finde, diese Kapitalleistungssteuer gehört nicht in dieses Entlastungspaket. Der Staat kann sparen, aber nicht auf dem Buckel der Pensionierten, die ein würdiges und schönes Leben im Ruhestand verdient haben.
Das Entlastungspaket ist ziemlich umfassend und viele sind betroffen. Wenn niemand über den eigenen Schatten springt, scheitert es.
Die Harmonisierung der Steuern für Rente und Kapital passt nicht in dieses Paket. Den Vorschlag, die Rente einmalig zum Zeitpunkt der Pensionierung zu besteuern, könnte man aufgreifen. Da sehe ich eine Vereinbarkeit. Denken Sie an Leute, die sich für die Rente entscheiden und dann auswandern. Da entgeht dem Staat Steuergeld.
Wie beurteilen Sie die Idee, dass man grundsätzlich beim nun geplanten Konzept bleibt, aber Übergangslösungen hinzunimmt - ähnlich zu der BVG- oder der AHV-Reform?
Das wäre das absolute Minimum. Wenn man die höheren Steuern unbedingt durchsetzen will, dann braucht es Übergangsbestimmungen. Einzahlungen, die schon längst gemacht wurden, sollten nicht betroffen sein. Sonst verspielt man unnötigerweise Vertrauen in das Vorsorgesystem.
Man kann sagen: Es gibt Wege, wie man die höheren Steuern und die geplante Steuerprogression brechen kann, zum Beispiel durch eine Teilpensionierung. Ist die Aufregung, die zurzeit herrscht, deswegen ein wenig übertrieben?
Es gibt bei beiden Säulen Wege, um die Steuerprogression zu brechen, aber es gibt auch gewichtige Unterschiede, weshalb die Aufregung teilweise auch sachlich nachvollziehbar ist. In der dritten Säule sind die Beträge nicht derart hoch wie in der zweiten Säule. Die Steuerprogression greift darum nur wenig oder moderat. Zudem kann man die 3a-Bezüge staffeln, indem man im Laufe des Lebens mehrere 3a-Konten aufbaut und dann nach und nach auflöst - keine schöne Lösung, aber sie funktioniert. Bei der Teilpensionierung bin ich skeptisch. Man kann sie anstreben. Aber am Ende des Tages braucht es immer einen Arbeitgeber, der einen Teilzeit weiterbeschäftigt. Das ist nicht selbstverständlich.
Die Kapitalbezugssteuer wird noch vom Parlament behandelt werden, eine Volksabstimmung ist möglich. In welcher Form werden die Pläne Ihrer Einschätzung nach letztlich umgesetzt?
Ich bewege mich von Berufs wegen in einer Blase, weshalb ich vielleicht gewisse Aspekte übersehe. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sache eins zu eins durchkommt. Dazu müsste der Widerstand ja markant kleiner sein, als er meiner Wahrnehmung nach ist. Das Parlament sollte auf jeden Fall nicht nur auf die Steuereinnahmen schielen.
Nico Fiore ist Geschäftsführer des Pensionskassenverbandes Inter-Pension. Der Verband repräsentiert die Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen in der beruflichen Vorsorge. Fiore hat einen Master-Abschluss in Pensionskassen-Management der Hochschule Luzern und vor seinem Antritt an Inter-Pension-Geschäftsführerer verschiedene Stellen im Schweizer Pensionskassenwesen durchlaufen.