Am Donnerstag bricht so etwas wie eine neue Ära in der Kommunikation der der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an. Sie wird erstmals eine Zusammenfassung ihrer Zinssitzung vom September veröffentlicht und den Anlegern so mehr Transparenz zur Geldpolitik bieten. Doch Können Investoren zusätzliche Erkenntnisse zu den Zinsentscheiden und der Währungspolitik erwarten?

Die Veröffentlichung markiert einen mutigen Schritt der SNB, ihre Kommunikation stärker an jene anderer Zentralbanken anzupassen und die Überlegungen hinter ihren Entscheidungen offenzulegen, anstatt einfach nur Ergebnisse zu veröffentlichen. Da der Franken seine Zehnjahreshöchststände testet, werden Anleger die Zusammenfassung nach Hinweisen auf die Strategie zur Eindämmung seiner Stärke durchforsten – von Zinssenkungen in den negativen Bereich bis hin zu Interventionen.

SNB-Präsident Martin Schlegel betonte letzten Monat, das Dokument werde «selbstverständlich» nützlich sein. Allerdings versuchten die Verantwortlichen auch, die Erwartungen zu dämpfen, wie viel Licht das Dokument im Vergleich zu Protokollen der US-Notenbank Fed durchscheinen lassen wird. Dies beispielsweise zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb des SNB-Direktoriums. Grund dafür sei die Haltung der Schweiz, bei Entscheidungen öffentlich geschlossen zu bleiben.

«Ich hoffe, dass hier etwas mehr Substanz vorhanden ist als in der geldpolitischen Erklärung», sagte Sophie Altermatt, Ökonomin bei Julius Bär in Zürich. «Ich glaube nicht, dass die Erwartungen der Märkte und auch der Ökonomen hinsichtlich weiterer Informationen zu ihren Ansichten zur Währung sehr hoch sind.»

Die SNB hat in den vergangenen Jahren bereits Massnahmen zur Steigerung der Transparenz ergriffen – von der Veröffentlichung vierteljährlicher Interventionsdaten bis hin zur Durchführung vermehrter Medienkonferenzen. Die Zusammenfassung ist jedoch ihr bislang konkretester Schritt. Sie wird vier Wochen nach jeder vierteljährlichen Zinssitzung veröffentlicht und verdoppelt damit effektiv die Anzahl der gemeinsamen geldpolitischen Veröffentlichungen des dreiköpfigen Leitungsgremiums.

Damit wird ein bislang minimalistischer Ansatz erweitert. Unter den zehn G10-Ländern, in denen die Währungen der Welt am meisten gehandelt werden, ist die SNB mit vier geldpolitischen Entscheidungen pro Jahr die mit Abstand bescheidenste. Die anderen Zentralbanken dieses Clubs treffen in der Regel etwa doppelt so viele Entscheidungen.

Die SNB hat bislang entweder an ihrem engen Zeitplan zur Anpassung ihrer Politik festgehalten oder die Märkte mit abrupten Schritten wie der berüchtigten Aufhebung der Franken-Untergrenze im Jahr 2015 erschüttert. Die spärliche Berichterstattung hat die Anleger selbst bei den Sitzungen anfällig für Schocks gemacht: Mehrere Entscheidungen der letzten Jahre zur Zinserhöhung und zur Entspannung der Lage waren überraschend.

Schlegel, der sein Amt vor einem Jahr antrat, nachdem er zuvor Vizepräsident war, scheute denn auch keine Überraschungen: Die erste Entscheidung unter seiner Führung war eine stärker als erwartete Senkung um einen halben Prozentpunkt.

Ob die Zusammenfassung solche Brüche verhindern wird, dürfte für die SNB angesichts der durch die Handels- und Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump, die französische Haushaltskrise und anhaltende geopolitische Risiken angeheizten Devisenzuflüsse in sichere Anlagen nicht die oberste Priorität haben.

Da der Leitzins der SNB wieder bei null liegt und umsichtige Interventionen durchgeführt werden, werden Beobachter auf Anzeichen dafür achten, wie besorgt die Währungshüter über die Deflationsrisiken sind, auf welchen Hebel sie möglicherweise reagieren und was die Auslöser sein könnten.

Was sagen die Direktoriumsmitglieder zu Devisenmarktinterventionen?

Jede Option hat ihren Preis: Ein Abrutschen in den negativen Bereich schadet dem Finanzsystem, während ein Frankenverkauf die Bilanz der SNB aufbläht und die USA verärgert.

«Es könnte wirklich überraschend sein, wenn einige Mitglieder den Wunsch äussern, aggressiver auf den Devisenmarkt zu intervenieren», sagt ING-Devisenstratege Francesco Pesole. «Wenn sie trotz der kritischen Prüfung des US-Finanzministeriums ihre Devisenmarktinterventionen bekräftigen, könnte der Franken unter Druck geraten.» Im Gegensatz dazu würde ein Verzicht auf solche Botschaften und eine «mangelnde Unterstützung negativer Zinsen» die Währung stärken, sagte er.

Für Händler könnte es von Interesse sein, wie die SNB die Devisenmärkte beschreibt. Denn die Protokolle der Bank von Japan beispielsweise enthalten regelmässig eine Zusammenfassung der Yen-Bewegungen, gelegentlich aber auch allgemeine Warnungen vor den Auswirkungen übermässiger Schwankungen auf die Gesamtwirtschaft.

Dennoch äussern sich die globalen Entscheidungsträger selten zu den Währungsniveaus. Die SNB selbst hat in den letzten Jahren damit aufgehört, weil «es keinen Mehrwert mehr bringt», sagte Schlegel letzten Monat in einem Interview.

Die grosse wirtschaftliche Frage, die derzeit über der Schweiz schwebt, ist, inwieweit die US-Zölle von 39 Prozent – ​​die höchsten, die je in einer Industrienation erhoben wurden – das Wachstum spürbar schwächen werden. Die Ökonomen des Bundes haben letzte Woche ihre Wachstumsprognose für das kommende Jahr gesenkt.

Sollte die Zusammenfassung eine optimistische Konjunkturprognose zeigen, könnte der Franken unter Aufwertungsdruck geraten, sagt Simon Harvey, Ökonom bei LB Macro. «Ich denke, sie werden an der Botschaft festhalten, dass die externen Bedingungen aufgrund ihres begrenzten Umfangs nur geringe Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft haben werden – das heisst die Hürde für weitere Zinssenkungen ist hoch.»

Devisenhändler rechnen diese Woche mit weiteren Kursgewinnen des Frankens. Sogenannte Risikoumkehrungen, ein Stimmungsbarometer am Optionsmarkt, deuten darauf hin, dass sie für die Schweizer Währung so optimistisch sind wie seit vier Monaten nicht mehr.

Was auch immer am Donnerstag passiert, die Veröffentlichung der Zusammenfassung markiert einen Wendepunkt. Trotz gedämpfter Erwartungen der Anleger hofft Altermatt von Julius Bär auf Aufklärung von einer lange geheimnisumwitterten Zentralbank. «Der Markt weiss, dass die SNB kaum kommuniziert, daher handelt es sich im Grunde um eine Erweiterung», sagte sie. «Ich hoffe wirklich, dass die Zusammenfassung für mehr Klarheit sorgt, und ich denke, das wird sie auch.»

(Bloomberg)