cash.ch: Herr Gitzel, der Franken notiert auf einem Acht-Jahres-Hoch zum Dollar, zum Euro notiert die Schweizer Währung so fest wie seit September 2022 nicht mehr. Dabei sprechen die höheren Zinsen im Euro- und Dollarraum eigentlich seit längerem eher für eine Franken-Abwertung. Weshalb diese Franken-Stärke derzeit?
Thomas Gitzel: Die Devisenreserven befinden sich im Sinkflug. Die SNB interveniert also derzeit zugunsten des Franken. Die eidgenössischen Währungshüter haben den Franken als schärfstes Schwert im Kampf gegen einen weiteren Anstieg der Inflationsraten erkannt. Und aus fundamentaler Sicht hat sich mit der eklatanten Verschiebung der Kaufkraftparität zugunsten des Franken auch etwas getan. Die fairen Wechselkurse liegen mittlerweile im Bereich von unter 0.90 gegenüber dem Euro. Die niedrigen Zinsen in der Schweiz sind derzeit eher als Qualitätsmerkmal einer relativ niedrigen Inflation zu interpretieren. Der Zinsnachteil der Schweiz ist deshalb kein stichhaltiges Argument gegen eine weitere Aufwertung des Franken.
Setzt sich die Frankenaufwertung in den nächsten Wochen und Monaten fort?
Aus kaufkraftparitätischer Sicht müsste dies eigentlich der Fall sein. Allerdings rechnen wir nicht damit, weil auf der anderen Seite der Euro an Stärke gewinnen könnte.
Wo sehen Sie den Euro zum Franken Ende 2023?
Wir sehen den Franken im Bereich von 0,98 zum Jahresende.
Sie haben es gesagt, die Schweizerische Nationalbank favorisiert zur Inflationsbekämpfung einen starken Franken, damit eine importierte Teuerung aus dem Ausland abgewendet werden kann. Welcher Euro-Kurs ist Ihrer Meinung nach für die SNB dabei am 'komfortabelsten'?
Die Kaufkraftparität, aber auch der reale effektive Wechselkurs legen trotz der vermeintlichen Stärke eine Unterbewertung des Franken nahe. Die SNB könnte deshalb Wechselkursnotierungen selbst im Bereich der 0,90 noch als komfortabel bezeichnen. Ich würde aber schätzen, dass sich die SNB mit Wechselkursen zwischen 0,95 und 1,00 am wohlsten fühlt.
Könnte der momentane Höhenflug des Frankens und die stark gesunkene Inflation in der Schweiz etwas an den Zins-Plänen der SNB für die nächste Sitzung im September ändern?
Nein. Eine Zinserhöhung im September ist gesetzt. Dazu gibt die SNB eine relativ eindeutige Forward-Guidance, wenn sie in der Medienmitteilung schreibt, dass weitere Zinserhöhungen notwendig sein könnten. Das ist mehr als der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl. Wir haben schon seit Beginn der SNB-Zinsanhebungen mit einem längeren Straffungszkylus bis zu einem Leitzins von 2 Prozent gerechnet. Dieses Niveau ist im September erreicht. Danach wird aus unserer Sicht Schluss sein.
Die Schweizer Exportwirtschaft schien sich mit der starken Landeswährung abgefunden zu haben. Nun warnte der Uhrenhersteller Swatch am Donnerstag, dass sich das 'ungünstige Währungsumfeld' negativ auf den Umsatz im zweiten Halbjahr auswirken könnte. Wie gross ist die Gefahr für Schweizer Exporteure, der vom starken Franken ausgeht?
Klar ist, dass nicht jedes Unternehmen 'Hurra' schreit, wenn der Franken aufwertet. Wenn ich als Schweizer Unternehmen mein Geld im Ausland verdiene und den Euro oder den US-Dollar in Franken umtausche, sinkt mein Umsatz. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist es aber so, dass die positiven Effekte der im internationalen Vergleich niedrigeren Inflation die Aufwertungen des Franken überkompensieren. Dies wird mittels handelsgewichteten effektiven realen Wechselkurses des Franken sichtbar gemacht. Wenn man also den Franken gegenüber den wichtigsten Handelspartner unter Einbezug der jeweiligen Inflationsdifferenz betrachtet, ist sogar eine Abwertung der eidgenössischen Valuta feststellbar. Die Industrie dürfte sich als gesamtes deshalb nicht beklagen, denn die Wettbewerbsfähigkeit hat nicht gelitten.
Sollten sich die exportlastigen Schweizer Firmen nicht gegen eine Aufwertung des Franken abgesichert haben?
Absicherungsgeschäfte sind in exportlastigen Industriezweigen nichts Unübliches. Doch die Aufwertungen des Franken halten nun schon seit längerem an und die Absicherungsgeschäfte mit für Exporteure attraktiven Kursniveaus von deutlich über der Parität gegenüber dem Euro dürfte schon lange ausgelaufen sein.
Im Fall, dass die SNB 2023 den Zinserhöhungszyklus abschliesst: Wie schätzen Sie danach die Schweizer Zinslandschaft auf mittlere und längere Sicht ein?
Die Zinsen könnten zukünftig im Falle einer Rezession wieder etwas niedriger liegen. Die Frage ist jedoch, ob in Anbetracht von Deglobalisierungstendenzen, dem demografischen Wandel und dem ökologischen Umbau der Volkswirtschaften die Inflationsraten mittel- bis langfristig wieder deutlich fallen werden. Vermutlich ist die lang anhaltende Niedrigzinsphase zunächst einmal vorbei. Durchaus möglich, dass wir zum alten Muster zurückkehren und ein Leitzins von 1 Prozent die Untergrenze darstellt.

3 Kommentare
Aus meiner Sicht hat die SNB die letzten 10 Jahre einen hervorragenden Job gemacht. Sie hat die Schweizer Wirtschaft und noch mehr die Schweizer Arbeitnehmer und Konsumenten vor Inflation, Rezession, und Instabilität geschützt. Dabei hat sie auch zu Miteln gegriffen, die zuvor nicht zum wesentlichen Instrumentarium der Zentralbanken gehörte. Unter dem Strich ist sehr vieles sehr gut aufgegangen.
Nun bleibt zu warten, ob sie ihre Devisenbestände, mit deren Abbau sie bereits relativ agressiv begonnen zu haben scheint, zurückführen kann, ohne dabei den Franken zu stark aufzuwerten und den Export unter weiteren Druck zu setzen. Last but not least bin ich gespannt, was sie mit den vielen Bereiligungen im US Raum macht - inzwischen dürfte sie da bei vielen Positionen wieder satt im Plus sein.
Vergleicht man die Leistung der SNB gegenüber jener der FED (zu lange qe und zu spät mit den Zinserhöhungen begonnen) und der EZB (dito zur FED und dann auch noch zu zaghaft mit den Zinserhöhungen und das ganze politische Umfeld, das sie bei der Arbeit behindert), ist die SNB aus meiner Sicht klar Klassenbester.
Kann der Schweizer Tourismus die Frankenstärke schultern?
Bisher haben die Export- und Tourismusunternehmen den starken CHF erstaunlich gut verkraftet. In der Tourismusbranche scheint das kritische Problem derzeit nicht die Nachfrage sondern die Verfügbarkeit der Arbeitskräfte zu sein.