Wir schreiben das Jahr 1519. Huldrych Zwingli nimmt sein Amt als Leutpriester am Grossmünsterstift in Zürich in Angriff und bringt damit die Kirchen-Reformation in die Schweiz. Gleichzeitig stirbt Maximilian I, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, auf einer Reise von Innsbruck nach Linz. Und spanische Eroberer beginnen mit der Zerstörung des Aztekenreiches in Mexiko.

Im gleichen Jahr startet in Zürich der aus Bayern zugewanderte Christoph Froschauer eine Druckerei, die in der Folge auch Werke von Zwingli veröffentlichen und 1897 den Gang an die Zürcher Börse wagen wird. Noch heute - 500 Jahre und zahlreiche Besitzerwechsel sowie Fusionen später - existiert diese Druckerei. Bekannt unter dem Namen Orell Füssli.

Historiker Adrian Scherrer (links) und Orell-Füssli-CEO Martin Buyle (rechts) präsentieren an einer Medienkonferenz anlässlich des 500-Jahre-Jubiläums von Orell Füssli eine Original «Zwingli-Bibel» aus dem Jahre 1531. (Bild: cash / pz)

Doch im Jahr 2019, wo Buchdruck massiv an Bedeutung verloren hat und die Digitalisierung schnell voranschreitet, muss sich eine Firma wie Orell Füssli neu erfinden, um nicht in der Versenkung zu verschwinden. Leicht ist das nicht, wie die Aktienkursentwicklung der letzten 20 Jahre andeutet: Vor einem Monat fiel die Aktie zwischenzeitlich auf 77 Franken, dem tiefsten Stand seit 1996. Inzwischen sind es immerhin wieder 85 Franken. Von Höchststand zur Jahrtausendwende bei 520 Franken ist der Titel aber meilenweit entfernt.

Kursentwicklung der Orell-Füssli-Aktie in den letzten 20 Jahren, Quelle: SIX

Probleme gab es vor einigen Jahren ausgerechnet bei der neuen Paradedisziplin von Orell Füssli, dem Sicherheitsdruck. Diverse technische Probleme führten zu einer sechsjährigen Verzögerung der neuen Notenserie in der Schweiz, welche Orell Füssli im Auftrag der Schweizerischen Nationalbank (SNB) herstellt.

Bei Orell Füssli musste als Folge 2013 der Chef der Sparte Sicherheitsdruck das Unternehmen verlassen, der damalige CEO Michel Kunz übernahm ad Interim - und war im Frühling 2014 dann ebenfalls weg. Doch diese Turbulenzen sollen nun vorbei sein: "Wir sind heute wieder ein gut funktionierendes Unternehmen im Sicherheitsdruck, das seine internationale Reputation wiedergewonnen hat", zeigt sich CEO Martin Buyle im Video-Interview mit cash selbstbewusst.

Gerade der SNB-Auftrag ist sehr profitabel und auch aus Prestigegründen sehr wichtig für Orell Füssli. Nur: Nach der Lancierung der 1000er und 100er Noten in diesem Jahr ist die neue Notenserie komplett, was Umsatz und Gewinn von Orell Füssli ab dem Folgejahr schmälern wird. Die Firma muss daher beweisen, dass es auch Drittkunden im Bereich Sicherheitsdruck akquirieren kann. Wie die Zürcher Kantonalbank (ZKB) in einer Analyse schreibt, dürfte mit mehreren Neuaufträgen ausserhalb Europas der Wegfall des SNB-Grossauftrags zumindest umsatzmässig kompensiert werden, doch so profitabel wie die SNB-Lieferungen würden diese nicht sein.

An der Zukunft von Orell Füssli wird gebastelt

CEO Buyle betont, dass der Sicherheitsdruck auch in Zukunft eine wichtige Rolle im Portfolio von Orell Füssli einnehmen werde. Auch der Buchhandel soll beibehalten werden, dieser macht noch rund ein Drittel des Umsatzes aus. Er kann punkto Profitabilität aber nicht mit dem Sicherheitsdruck mithalten. Andernorts wurde bereits erfolgreich "ausgemistet": Ein Teil der Tochtergesellschaft Atlantic Zeiser - konkret handelt es sich um die Bereiche Verpackungen und Kartenpersonalisierungssysteme - wurde 2018 abgestossen.

Doch wie Orell Füssli selber sagt, ist die künftige Strategie noch nicht vollständig definiert. Bis Ende 2019 läuft eine Unternehmensanalyse. Und just in dieser Phase springt CEO Buyle ab. Er kündigte bereits im Dezember 2018 an, aus persönlichen Gründen und auf eigenen Wunsch im September 2019 sein Amt nach fünf Jahren niederlegen zu wollen. "Parallel womöglich eine neue Strategie zu definieren und einen neuen CEO einzusetzen, dürfte sicher anspruchsvoll werden", schreibt die ZKB dazu. Wer Buyle als CEO beerben wird, ist noch unklar. 

Solange bei Orell Füssli noch Fragezeichen bezüglich der künftigen Ausrichtung und der CEO-Nachfolge bestehen, kann die Aktie nicht vorbehaltslos zum Kauf empfohlen werden. Immerhin sorgen aber die beiden langjährigen Ankeraktionäre Schweizerische Nationalbank (33,3 Prozent der Aktien) sowie Musiker und Unternehmer Dieter Meier (15 Prozent) für eine gewisse Stabilität im Aktionariat. Hinzu kommt eine attraktive Dividendenrendite von 4,7 Prozent und eine starke Bilanz, die auch grössere Zukäufe in den nächsten Jahren ermöglicht. 

Auch Noch-CEO Buyle versprüht Optimismus: "Ich denke, ich hinterlasse ein Unternehmen, das in den einzelnen Divisionen gut aufgestellt ist." Die Herausforderungen würden zwar nicht nachlassen, es sei aber eine Basis da, auf der man aufsetzen könne.

Schauen Sie auch das cash-Interview mit Orell-Füssli-CEO Martin Buyle. Er spricht über die wichtigsten Meilensteine der langen Firmengeschichte, über das Orell Füssli der Zukunft und er definiert, was sein Nachfolger mitbringen sollte (auf Bild klicken).