Es scheint fast, als wolle Landis+Gyr all seine Kritiker Lügen strafen: Während kaum ein Analyst Potenzial in der Aktie des Messtechnikers sah, setzte der Titel in diesem Jahr zu einer erstaunlichen Rally an. Von Anfang Jahr bis heute hat Landis+Gyr bereits 35 Prozent zugelegt. Davon profitiert Lego-Erbe Kirk Kristiansen: Er hat in den letzten zwei Jahren seine Beteiligung am Zuger Unternehmen auf mittlerweile 15 Prozent ausgebaut.

Einen Kurssprung von beinahe 10 Prozent gab es allein am 6. Mai, am Tag der Präsentation der Jahreszahlen – bei Landis+Gyr endet das Geschäftsjahr jeweils im März. Die Profitabilität konnte überraschend deutlich gesteigert werden, was auch eine Dividendenerhöhung zur Folge hatte. Inzwischen beträgt die Dividendenrendite lukrative 4,3 Prozent. Diese wird aus den Kapitaleinlagereserven bezahlt und ist daher verrechnungssteuerfrei.

Erfreulich war auch der Auftragseingang (+34 Prozent), der auf ein erneut positives laufendes Jahr schliessen lässt. Das Management selbst zeigt sich ebenfalls optimistisch und geht davon aus, dass die zweite Hälfte des neuen Geschäftsjahrs deutlich stärker ausfallen wird als die erste. Als Grund wurde in einer Mitteilung anlässlich der Jahreszahlen "das Timing von Projekten in einigen Schlüsselmärkten" genannt.

Hinzu kommt ein Ende Januar gestartetes Aktienrückkaufprogramm über drei Jahre im Umfang von 100 Millionen Franken. Das verdichtet den Gewinn pro Aktie und wirkt sich grundsätzlich positiv auf den Kurs aus. Rund ein Fünftel davon wurde in den Monaten Februar und März bereits zurückgekauft, wie aus dem Jahresbericht ersichtlich wurde.

Die Skepsis der Analysten

Bei den Analysten ist hingegen wenig Euphorie auszumachen: UBS, Research Partners und J. P. Morgan haben alle die Landis+Gyr-Aktie auf "Halten" eingestuft. Die Bank Vontobel und Morgan Stanley empfehlen sogar zum Verkauf mit einem Kursziel bei 50 respektive 60 Franken. Das liegt deutlich unter den aktuellen 74 Franken.

Die Bank Vontobel schreibt etwa, dass die Umsatzerwartungen aufgrund der schwachen Entwicklung in der Region Amerika hinter den Prognosen der Bank lag. Derselbe Analyst kritisierte bereits im Januar die Wachstums- und Margenziele, die aggressiv formuliert seien und in einem hohen Ausmass von der Ausweitung der Service-Dienstleistungen abhänge. Zudem werde der Preisdruck in der Branche über die kommenden Jahre anhalten.

Landis+Gyr will bis 2021 um 5 Prozent pro Jahr wachsen, die Gewinnmarge (EBITDA) soll auf 13,5 bis 14,5 Prozent zu liegen kommen. Im abgelaufenen Jahr wuchs der Umsatz um nur 1,6 Prozent, während die Gewinnmarge die Zielspanne bereits knapp erreichte (13,5 Prozent). Sehr profitabel ist die Region Amerika, während in Europa und Asien deutlich geringere Margen erreicht werden.

Die UBS betont als weiteren Negativpunkt die hohe Abhängigkeit des Smart-Grid-Geschäfts von Gesetzgebungsinitiativen. "Politische Faktoren könnten die Implementierung solcher Initiativen verzögern", so der UBS-Analyst. Zudem würde die Konkurrenz viel in innovative Produkte aus dem Smart-Grid-Bereich investieren. In den USA ist etwa der ebenfalls börsenkotierte Konkurrent Itron durch einen Zukauf in den Bereich "Internet of Things" vorgestossen. Konkurrenz minimiert die Gewinnmarge.

Grossbritannien als wichtiger Markt

Aber auch die eher skeptischen Analysten sehen positives: Morgan Stanley erwartet etwa über die nächsten Jahre eine deutliche Verbesserung der Profitabilität im EMEA-Wirtschaftsraum (Europa, Naher Osten und Afrika). 2018 betrug die Gewinnmarge dort knapp 3 Prozent, nach einem negativen Vorjahr. Künftig sollen unter anderem dank Kostensparungen sogar 10 Prozent möglich sein. Entscheidend sei jedoch die Performane in Grossbritannien, dem bedeutendsten Markt für Landis+Gyr innerhalb der Region EMEA. Das Thema Brexit sorgt hier jedoch noch immer für eine grosse Planungsunsicherheit.

Und eine Kaufempfehlung für Landis+Gyr gibt es von Analystenseite dann doch noch: Das Zwölf-Monats-Kursziel der Credit Suisse (CS) liegt bei 82 Franken, was rund 11 Prozent über dem aktuellen Kurs von Landis+Gyr liegt. Ein wichtiger Grund für den Optimismus ist die Annahme der CS, dass sich der Ende 2018 eingeleitete Übergang zur zweiten Zählergeneration (SMET2) in Grossbritannien schneller realisieren lässt als vom Markt erwartet.

Landis+Gyr hat in diesem Jahr an der Börse bereits einiges an Boden gewonnen, weshalb verschiedene Analysten den Titel nun für teuer halten. Doch ob teuer oder nicht, hängt schlussendlich ganz von den Gewinnerwartungen ab. Und die Gewinne haben sich jüngst als besser erwiesen als zunächst befürchtet. Derzeit liegt die Aktie noch immer unter dem Ausgabepreis beim IPO im Juli 2017 (78 Franken). Kann Landis+Gyr den Schwung beibehalten, so hat die Aktie weiter Luft nach oben.