Das könnte die EZB zwingen, die Geldpolitik noch stärker zu straffen. Seit der beispiellosen Zinserhöhung der Frankfurter Währungshüter um 75 Basispunkte sind die Kosten von Barausleihungen gegen Bundesanleihen am Repomarkt nur um 57 Basispunkte gestiegen, wie Daten der Commerzbank zeigen.
Diese Diskrepanz ist eine Folge der jahrelangen Anleihekäufe durch die Zentralbank, die die überschüssige Geldmenge im System auf den Rekordwert von 4,7 Billionen Euro aufgebläht und das handelbare Volumen von Staatsanleihen verringert hat. Das war solange kein Problem, wie die EZB das Finanzumfeld locker hielt. Doch jetzt jagt zu viel Geld zu wenig Anleihen, was die Zinsen dämpft.
“Die schwankende und uneinheitliche Durchleitung ist ein grosses Problem”, sagt Bondstratege Michael Leister von der Commerzbank. “Die jüngsten Entwicklungen auf den Repo-Märkten erhöhen das Risiko einer weiteren Intervention der EZB.”
Die EZB ist sich des Themas und beobachtet die Auswirkungen der Zinserhöhungen auf die Kreditzinsen und die Wirtschaft im Allgemeinen. Um zumindestens eine weitere Verschärfung zu verhindern, hat die Zentralbank vorübergehend den 0 Prozent-Deckel für die Verzinsung von Einlagen der öffentlichen Hand aufgehoben. Andernfalls hätte sich die Nachfrage nach Kurzläufern wohl noch stärker erhöht.
Der von der EZB veröffentlichte Tagesgeldsatz ESTR reagierte indessen stärker auf die Zinserhöhung der Notenbank und legte 74,5 Basispunkte zu. Einige Analysten hatten befürchtet, dass auch der Abstand zwischen ESTR und Einlagensatz der EZB weiter auseinanderklaffen könnte, was sich noch stärker auf die geldpolitische Transmission auswirken würde.
EZB-Chefvolkswirt Philip Lane nannte den ESTR-Satz in einer Rede am Mittwoch “besonders wichtig”, da er die Grundlage für die Markterwartungen hinsichtlich der künftigen Zentralbankpolitik bilde. Die EZB werde auch “weiterhin die Spanne zwischen den verschiedenen Geldmarktsätzen sowie die Sorgen hinsichtlich der Knappheit an Sicherheiten im Auge behalten”.
Vor der Entscheidung der EZB, die Zinsobergrenze für Einlagen der öffentlichen Hand vorübergehend aufzuheben, waren Bundesschätze mit dem höchsten Aufschlag auf Swaps seit 2008 gehandelt worden. Die Händler hatten sich darauf eingestellt, dass staatliche Einlagen aus den Zentralbanken in hochwertige Wertpapiere fliessen würden.
“Was die EZB jedoch nicht angesprochen hat, ist der ursächliche Mangel an Sicherheiten”, so Strategen der ING um Antoine Bouvet in einer Analyse. “Lanes Rede war auch eine Erinnerung daran, dass das Problem der Knappheit von Sicherheiten bestehen bleiben wird.”
(Bloomberg)