Wurde an bester Lage eine bekannte Immobilie zum Verkauf ausgeschrieben, war Rene Benko mit seiner Signa Holding in den letzten Jahren regelmässig zur Stelle. Angezogen von den renommierten Adressen gewährten Investoren und Banken Milliarden der Signa Holding - just zu jener Zeit, als die Zinsen in Europa und der Schweiz im negativen Bereich notierten. Mit der rasanten Rückkehr der Zinssätze und Renditen in den positiven Bereich kam Signa in Schieflage. 

Benko ist allerdings nicht der Einzige, der mit der Zinswende und den rekordmässigen Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in die Bredouille geriet. Exemplarisch ist auch der Niedergang des deutschen Immobilienkonzerns Vonovia. Während der Nullzinsphase stieg der Aktienkurs zwischen Juli 2013 und November 2020 von 15,00 auf 58,82 Euro oder um 239 Prozent - dies ganz im Gegensatz zu der Performance von PSP Swiss Property, welche im gleichen Zeitraum nur 85 Prozent zulegte. Seit dem Beginn der Zinswende wendet sich das Blatt und die Fallhöhe stieg: Vonovia notierten im März 2023 wieder auf dem Emissionspreis von 15 Euro, ehe sich der Titel in den letzten Wochen auf rund 22 Euro erholen konnte.

Immobilien kriegen durch höherer Bondrenditen Konkurrenz

In Europa sind vor allem die grossen Player wie Benko, Vonovia oder auch Centrum Holding unter Druck. Grund ist, dass diese Firmen und Benko im Speziellen während der Niedrigzinsphase sogenannte Trophy-Immobilien zu Konditionen erworben und kalkuliert haben, die nach den unerwartet schnellen Zinserhöhungen problembehaftet geworden sind, erklärt Peer Bender, Geschäftsleiter von ACRON Group in Zürich. Die Firma ist eine Investmentboutique, die in Gewerbe- und Wohnliegenschaften in der Schweiz, Österreich, Deutschland und den USA investiert. 

Diese Investitionen geschahen unter der Annahme, dass die Mieteinnahmen an guten Lagen entsprechend über die nächsten Jahre weiter steigen würden. Das ist aber nicht eingetroffen, wie zum Beispiel Erhebungen von Wuest Partner zeigen. Die Spitzenmieten bei Büroflächen bewegen sich an zentraler Lage in Zürich seit 10 Jahren seitwärts und schwanken zwischen 8000 und 10'000 pro Quadratmeter und Jahr. Dabei sind die Preise in den letzten drei Jahren an besten Lagen in Zürich kontinuierlich Richtung Marke 10'000 Franken oder leicht darüber gestiegen. In der Stadt Bern sind die Preise dagegen gerade im letzten Jahr tendenziell gesunken und stehen bei 2'700 Franken pro Quadratmeter und Jahr.. 

Die nun deutlich höheren Refinanzierungskosten wären an sich noch verkraftbar und sind eigentlich nicht das Problem, so Bender. Vielmehr zeige sich, dass mit dem Abschöpfen der überschüssigen Liquidität durch die Zentralbanken nicht mehr gleich viel Fremdfinanzierung zur Verfügung stehe. Wurden vor 10 Jahren als Beispiel 300 Millionen Euro bei einer deutschen Bank aufgenommen, so offerieren die Banken heute vielleicht noch 100 bis 150 Millionen Euro. Entsprechend müsste der Rest dann mit - wie im Falle Benko nicht vorhandenen - eigenen Mitteln abgedeckt werden. 

Daraus zu schliessen, dass es nun zu einem Ausverkauf zu Discountpreisen kommt, ist eher unwahrscheinlich. Einerseits ist das Portfolio von Benko, Vonovia und andere Immobilienfirmen in Gewerbe- und Wohnimmobilien sowie im Falle von Benko in die Warenhausketten Kaufhof oder Globus sowie das Kaufhaus des Westens (KdW) in Berlin breit diversifiziert. Zudem ist grundsätzlich genügend Eigenkapital auf dem Markt bei Investoren vorhanden. Aber diese Mittel fliessen nur, wenn genügend Transparenz vorhanden sei. Das dürfte demnach das Hauptproblem für Benko sein, dass die Transparenz Geldgeber für den Moment davon abhält, sich weiter zu engagieren. Entsprechend gehen die Prüfungen der Bücher länger, weshalb der Markt kurzfristig herausfordernd bleiben werde, erklärt Bender. «Es braucht jetzt einfach Zeit, damit sich der Markt und vor allem die Refinanzierungsseite in den nächsten zwei Jahren stabilisieren können, ehe es dann ab Ende 2026 wieder deutlich besser werden dürfte». 

Dass die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen, hängt mit der veränderten Zinslandschaft zusammen. Wurden während der Nullzinsphase noch Renditen auf den Büromieteinnahmen von 1,80 bis 2,00 Prozent zum Beispiel an der Zürcher Bahnhofstrasse oder von 2,00 bis 2,50 Prozent an zentralen Lagen in der Münchner Innenstadt aufgerufen, so verlangen Investoren heute wieder deutlich höhere Renditen, weil es an den Obligationenmärkten wieder attraktivere Alternativen gebe, kontastiert Bender. 

Solide Eigenkapitalfinanzierung sind der Grundstein für den Erfolg

Bei Immobilieninvestments in Wohn- oder Gewerbeimmobilien empfehlen langfristig orientierte Anleger unisono, 40 Prozent mit Eigenkapital zu finanzieren. Ebenso sei wichtig, ein klares Profil zu haben, bei welchen Renditen investiert werde und wann nicht. Die nun in Schwierigkeiten geratenen Firmen zeigen exemplarisch auf, dass Kompromisse in eine Sackgasse führen. Qualität gehe immer vor Quantität, erklärt Bender. 

Von Vorteil ist in der Schweiz, dass das Finanzierungsverhalten im Vergleich zu Europa anders ist und mit deutlich mehr Eigenkapital finanziert wurde. Die Pensionskassen sind dabei eine tragende Säule im Schweizer Markt, welche in den letzten Jahren mangels Anlagealternativen überdurchschnittlich viele Wohnliegenschaften erworben haben - und diese auch nicht auf den Markt werfen werden. Ebenso haben viele Privatpersonen in Wohnliegenschaften investiert, um den Nullzinsen zu entkommen.

Mit der Zinswende sind die privaten Investoren zurückhaltender geworden, während die Pensionskassen weiterhin - wenn auch in reduziertem Umfang - in Wohn- und Gewerbeimmobilien in der Schweiz investieren werden - dies vor allem, weil die Renditen für Schweizer Bundesobligationen immer noch sehr tief sind. Etwas anders sieht die Situation in Deutschland aus, wo es kein Pensionskassensystem analog der Schweiz gibt. In Deutschland wurde mit deutlich mehr Fremdkapital finanziert. 

Nettonull wird für den Schweizer Immobilienmarkt zur grossen Herausforderung

Dieter Kräuchi, Leiter Kundenbeziehungen bei Empira, betont wie Bender, dass sich vor allem die deutschen Projektabwickler in einer herausfordernden Lage befinden. Empira ist auf Investmentlösungen im europäischen Immobilienmarkt fokussiert.

Die stark gestiegenen Zinsen verteuern Finanzierungen, zugleich ziehen Banken die Kreditvergaberichtlinien an. Die Inflation verteuert die ohnehin stark gestiegenen Lohn- und Materialkosten weiter und am anderen Ende brechen die Exit- respektive Verkaufs-Optionen weg, weil der Transaktionsmarkt schwächelt. «Die Folge dieser Zangenbewegung: Es mangelt an Liquidität», erklärte Kräuchi. Diese Ausgangslage verzögert entsprechend die Fertigstellung der Projekte und wenn der nötige Kapitalpuffer fehlt, um einen Bau fertigzustellen oder überhaupt erst zu beginnen, droht gar die Insolvenz. 

Von den positiven Aussichten trotz den nun kurzfristig auftretenden Turbulenzen am deutschen Wohnungsmarkt ist Kräuchi überzeugt und geht von weiter steigenden Mieten und somit Mietzinseinnahmen für Investoren aus. Erstens ist die Bautätigkeit derzeit rückläufig, zweitens bleibt die Zuwanderung konstant hoch und drittens ist eine Veränderung der Haushaltszusammensetzung nun auch in Deutschland auszumachen. «Inzwischen liegt die durchschnittliche Haushaltsgrösse in Deutschland unter 2 Personen pro Haushalt, während diese in der Schweiz immer noch über 2 liegt - eigentlich würden wir das umgekehrt erwarten.» 

Die Entwicklung ist in der Schweiz ähnlich und diese verzwickte Situation am deutschen Markt wird sich nicht zwingend auf den Schweizer Markt abfärben, weil die Unterschiede zu gross sind. Die Analysen von Empira ergeben aber, dass auch am Schweizer Immobilienmarkt eine grosse Herausforderung ansteht: Ab Jahr 2050 soll die Schweiz unter dem Strich keine Treibhausgasemissionen mehr ausstossen und das international vereinbarte Ziel erreichen, die globale Klimaerwärmung auf maximal 1,5°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

In diesem von Empira als Transition-to-Green bezeichneten Bereich will das Unternehmen bis Ende 2024 rund 2 Milliarden Euro in die ökologische Revitalisierung und Wohninvestments stecken. Diese Welle wird bei Privaten wie Institutionellen Immobilienbesitzern zu hohen Investitionen führen, da der Bedarf enorm ist. Es wird deutlich mehr Geld in die energetische Sanierung hineinfliessen, so dass mittelfristig kaum mit sinkenden Mieten oder Eigenheimpreisen zu rechnen ist. 

«Denn nur damit werden die Nachhaltigkeitsdefizite im Bestand beseitigt und aus den neuen Anforderungen nachhaltige neue Vermögenswerte geschaffen, ergänzt Kräuchi. Es entsteht nicht nur ein Mietzinswachstum, das für langfristige Stetigkeit der Cashflows sorgt, sondern auch eine Qualitätsverbesserung im Immobilienbestand, der die Wertschöpfung noch einmal zusätzlich erhöht. Diesem Trend kann sich kein Immobilienbesitzer entziehen, ohne dass er das Risiko eingeht, dass der Wert des Immobilienportfolios oder der Eigentumswohnungspreis sich rückläufig entwickelt. 

Thomas Daniel Marti
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