Die neuesten Schätzungen zur Inflation im Euroraum der Europäischen Zentralbank (EZB) treiben Anlegern noch tiefere Sorgenfalten ins Gesicht. Neu rechnet die EZB für 2015 nur noch mit einer Rate von 0,7 (bisher 1,1 Prozent). Aktuell liegt die Teuerung bei 0,3 Prozent. Dies ist meilenweit vom selbst gesteckten Inflationsziel bei rund 2 Prozent entfernt. Auch in den USA, Japan und in der Schweiz stehen die Preise seit längerem unter Druck.

Immer mehr Marktbeobachter warnen nun vor sinkenden Preisen. So sieht zum Beispiel Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die Eurozone praktisch schon in der Deflation, wie er kürzlich gegenüber cash zu Protokoll gab (zum Artikel). Den Warnfinger hob jüngst auch die OECD. Sie fürchtet gar japanische Verhältnisse für Europa.

Steht in absehbarer Zeit wirklich eine nachhaltige Deflation ins Haus, würde dies auch den Aktienmarkt hierzulande empfindlich treffen. cash fragte bei Anlageprofis nach, welche Aktien von einer Deflation belastet beziehungsweise welche Aktien am wenigsten davon tangiert wären.

Laut der Swisscanto gilt es folgende Kriterien zu beherzigen:

Marktmacht: Gegen sinkende Preise und somit dünner werdende Margen sind Unternehmen gewappnet, welche in Märkten tätig sind, die sich nur wenige Anbieter aufteilen. Man spricht dann von der sogenannten Preissetzungsmacht.

Verschuldungsgrad: Schulden werden in deflationären Zeiten mehr wert. Ergo profitieren Firmen mit wenig Schulden gegenüber solchen mit langfristigen und fest verzinsten Verbindlichkeiten.

Tiefes operativer Leverage: Diese Kennzahl misst die Beziehung zwischen den fixen und den variablen Kosten eines Unternehmens. Die Gewinne eines Unternehmens mit teuren Produktionsanlagen werden also unter einem Rückgang der Preise der produzierten Güter überdurchschnittlich leiden. Selbst dann, wenn keine hohe Verschuldung vorhanden ist.

Diese Qualitäten erfüllen laut Swisscanto folgende Firmen: Nestlé, Swisscom, Givaudan, Adecco, Dufry, Barry Callebaut, Lindt&Sprüngli oder Medtech-Firmen.

Erich Steinhauser, Anlagechef von der Privatbank Rahn & Bodmer, nennt neben den erwähnten noch weitere Eigenschaften:

Exportmärkte und Währung: Angenommen, es findet einen Import der Deflation aus den Euroländern in die Schweiz statt: Dann sind solche Unternehmen zu bevorzugen, die in Dollar fakturieren können und in nicht EU-Länder exportieren. Auch Aktien jener Unternehmen, die primär für den Binnenmarkt Schweiz produzieren und kaum im Konkurrenzkampf mit dem Ausland liegen, bieten Deflationsschutz.

Input-Preise: Unter den gängigen Rohstoffanlagen dürften beim Ausbruch einer Deflation vor allem die Preise von Industriemetallen leiden. Dies verkleinert die Produktionskosten und begünstigt jene Unternehmen, welche die tieferen Rohstoffpreise nicht zu 100 Prozent weitergeben müssen.

Unternehmen, welche diese Kriterien erfüllen, sind laut Rahn & Bodmer zum Beispiel Lonza, Syngenta, Logitech, Nestlé, Emmi oder die Jungfraubahnen.

Firmen, welche diese Kriterien mehrheitlich nicht gerecht werden, sind in Deflationszeiten entsprechend zu meiden. Anleger sollten zudem Aktien von kapitalintensiven Firmen, also solche mit einem hohen Anlagevermögen, aussortieren. Denn bei fallenden Preisen schmilzt ein hohes Anlagevermögen in der Bilanz schnell ab. Rasch drehendem Umlaufvermögen ist somit der Vorzug zu geben.

Zu den Deflationsverlierern gehören nach Swisscanto Firmen wie ABB, Holcim, Syngenta, Transocean, Sulzer, Bucher oder Schmolz-Bickenbach.

In andere Anlageklassen diversifizieren

In deflationären Zeiten ist die Aktienselektion ungemein wichtig, ansonsten drohen dem Anleger herbe Verluste. Generell von Aktien die Finger zu lassen, rät Thomas Steinemann, Anlagechef bei der Bellerive Bank. "Deflation ist generell Gift für die Wirtschaft, die Leute kaufen nichts, warten immer, bis es noch billiger wird." Untersuchungen der Bellerive Bank zeigen, dass in deflationären Zeiten Aktien rund 10 Prozent an Wert einbüssten.

Deflationsschutz bieten neben sorgfältig ausgewählten Aktien auch Nominalwerte wie zum Beispiel langfristige Anleihen. Dabei sind Obligationen von wenig verschuldeten Unternehmen und Staaten zu favorisieren. Allerdings werfen diese angesichts der nun schon seit Jahren andauernden Nullzinspolitik wenig Zins ab. Nicht oder wenig betroffen von Deflation sind zudem Gold und Bargeld. Machen aber Negativzinsen weiter Schule, dann ist das Horten von Bargeld ein Verlustgeschäft.

Gerade in Zeiten mit negativen Realzinsen an den Kapitalmärkten hat Gold in der vergangenen Zeit oftmals gut rentiert. So haussierte das gelbe Edelmetall nach einer Studie der Wissenschaftler Dimson, Marsh und Staunton in Jahren mit einem Rückgang des Preisniveaus von 3,5 Prozent oder mehr im Durchschnitt 12,2 Prozent.