Knapp dreissig Tage sind vergangen, seit US-Präsident Donald Trump am 2. April – von ihm selbst als «Liberation Day» bezeichnet – mit seinen weitreichenden Zollankündigungen die Börsen weltweit auf Talfahrt schickte. Nach turbulenten Tagen an den Märkten verzeichneten zahlreiche Investoren zunächst deutliche Kursverluste. Dann begann die Erholung. Zeit also, um zu analysieren, welche Titel am Schweizer Aktienmarkt sich seit dem Zollschock am meisten erholt haben.
Der Schweizer Leitindex erreichte am 9. April, genau eine Woche nach den Zollankündigungen, einen Tiefststand von 10'699 Punkten. Seither ist der SMI auf Erholungskurs und konnte bis heute wieder knapp 13 Prozent zulegen. Seit Jahresbeginn beträgt das Kursplus 5,63 Prozent, auf Jahresfrist steht ein Plus von 8,70 Prozent zu Buche.
Anleger honorieren rasche Kommunikation
Am besten hat Swiss Life den Zollschock weggesteckt. Obwohl der Versicherungskonzern seinen Kurstiefststand bereits zwei Tage vor dem SMI erreichte, kennt der Aktienkurs seither praktisch nur noch eine Richtung: nach oben. Seit dem Zoll-Chaos haben die Titel fast 19 Prozent zugelegt. Auf Sicht der letzten zwölf Monate resultiert ein Plus von rund 33 Prozent. Analysten von Barclays erwarten, dass europäische Versicherer, unter anderem Swiss Life, in einem risikoärmeren Umfeld agieren. Der Sektor sei generell besser aufgestellt, um Schocks zu widerstehen. Demnach sehen sie auch keine Risiken für die Dividendenausschüttungen.
Dicht auf Swiss Lifes Fersen folgt Lonza. Die Valoren des Pharmazulieferers haben seit dem Markttiefstand am 9. April ebenfalls fast um 19 Prozent zugelegt und notieren wieder über 600 Franken, also in alter Stärke. Das Allzeithoch stammt vom Sommer 2021 und liegt bei 771 Franken.
Die Anleger begrüssten, dass das Lonza-Management kurz nach den Zollankündigungen schnell reagierte und für Analysten ad hoc eine Telefonkonferenz einberufen hatte, um die Auswirkungen der US-Zölle auf das Unternehmen darzulegen. Daraufhin bestätigten die Analysten der Bank Vontobel ihr Kursziel von 680 Franken mit «Buy» und begründeten die Kaufempfehlung damit, dass Lonza mit der Arzneimittelherstellung für Pharma und Biotech auf ein defensives Geschäftsmodell setze. Die Kursentwicklung von Lonza stützt auch die Marktbeobachtungen der St. Galler Kantonalbank. Der zuständige Analyst schätzt, dass der Basler Konzern sogar als Profiteur aus der Situation hervorgehen könnte. Denn Lonza sei mit seiner starken Präsenz in den USA vorteilhaft aufgestellt. Sowohl Vontobel als auch die St. Galler Kantonalbank erwarten, dass Lonza als Auftragsfertiger in vielen Bereichen nur am Rande von den Zöllen betroffen sein wird.
Rangliste SMI-Aktien: So haben sich die Titel einen Monat nach dem «Liberation Day» entwickelt.
Die Pharmaschwergewichte Roche und Novartis haben sich unterschiedlich erholt. So konnte Roche seit dem Börsenloch fast 16 Prozent zulegen, Novartis hingegen 13 Prozent. Ein wesentlicher Grund dürfte bei Roches angekündigten Investitionen von bis zu 50 Milliarden Dollar ins US-Geschäft liegen, womit der Konzern seine Rivalin Novartis übertrumpft. Gemäss Roche-CEO Thomas Schinecker sollen diese Investitionen das langjährige Engagement für Forschung, Entwicklung und Produktion in den USA unterstreichen – eine Strategie, die Investoren offenbar als Schutzschild gegen mögliche Zollauswirkungen bewerten.
Auffallend auch: Keine Aktie aus dem SMI ist in den Wochen nach dem Zollschock weiter gefallen. Allerdings sind es die defensiven Titel wie Nestlé (plus 6 Prozent) oder Swisscom (plus 8 Prozent), die weniger stark zulegen konnten als andere. Auch Zurich Insurance (plus 9 Prozent) gehört zu dieser Gruppe. Diese Titel waren zuvor von der Börsenpanik aber auch weniger betroffen. Sie gelten in unsicheren Zeiten als «Fels in der Brandung», entsprechend ist ihr Erholungspotenzial geringer.
Bemerkenswert ist jedoch der Unterschied zwischen Nestlé und Zurich einerseits und Swisscom auf der anderen Seite. Die Aktie des Nahrungsmittelmultis liegt noch einige Prozentpunkte unter dem Niveau, welches die Aktie vor dem Börsenabsturz hatte. Dasselbe gilt für Zurich. Der Titel von Swisscom erleben dagegen eine zweiten Frühling und notieren heute viel höher als vor dem Trump'schen Zollschock. Es resultiert sogar der höchste Stand seit letztem Oktober.
Aktien aus Biotech- und Halbleiterbranche holen auf
Am breiten Markt verlief die Kursentwicklung ähnlich. Der Swiss Performance Index (SPI) hat seit dem 9. April um 14 Prozent zugelegt. Vor allem Unternehmen mit volatilen Aktienkursen, insbesondere aus den Bereichen Biotech und Halbleiter, verzeichneten eine starke Erholung. Kuros zum Beispiel hat 55 Prozent zugelegt. Der Klimaspezialist Belimo stieg um rund 50 Prozent zu und der Chiphersteller AMS Osram um mehr als 36 Prozent. Die Aktie von AMS hat den Rückgang seit dem «Liberation Day» nun wieder aufgeholt. Sie war aber schon einige Wochen vor dem 2. April unter Druck. Offenbar befürchten Anleger eine neue Kapitalerhöhung.
Rangliste der SPI-Titel, die sich einen Monat nach dem «Liberation Day» am stärksten erholt haben.
Bei Kuros liegt der Kurs heute (26 Franken) sogar sehr viel höher als vor dem Zoll-Absturz (19 Franken). Das Biotech-Unternehmen hat Mitte April die Zahlen für das erste Quartal veröffentlicht. Kuros erzielte einen Umsatz von 28,8 Millionen US-Dollar. Das sind 82 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Damit ist Kuros auf gutem Weg, das eigene Jahresziel eines Umsatzwachstums von mindestens 60 Prozent zu erreichen. Das dürfte auch die Leerverkäufer vertrieben haben, die auf fallende Kurse gesetzt hatten.
Auch bei Belimo liegt der Kurs heute klar höher als vor dem Trump-Zollschock. Allerdings stand die Aktie seit Ende Januar stark unter Druck. Das Niveau vom Jahresanfang hat Belimo nun mittlerweile wieder erreicht. Als Reaktion auf die jüngsten geopolitischen Veränderungen wird Belimo ab Juli ausserordentliche Preiserhöhungen vornehmen, um die Auswirkungen der angekündigten Zölle auf das Ergebnis abzufedern. Zudem baut der Klimaspezialist den amerikanischen Hauptsitz in Danbury im US-Bundesstaat Connecticut weiter aus, um die Flexibilität zu erhöhen und die Kapazitäten als Reaktion auf die starke Nachfrage und die veränderten geopolitischen Bedingungen zu erweitern.
Ob sich diese Titel kurzfristig weiter erholen, ist angesichts der erratischen Wirtschaftpolitik des US-Präsidenten ungewiss. Die Weltwirtschaft werde auch Donald Trump überstehen und sich anpassen, schreibt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, in einer Notiz am Montag. «Entsprechend muss das Portfolio nicht auf diesen Sommer, sondern auf die nächsten Jahre ausgerichtet sein. Dazu gehört ein Aktienportfolio mit soliden Unternehmen aus der Old Economy, aber auch ein paar Technologieaktien als Wachstumstreiber.»