Die Berichtssaison der Schweizer Unternehmen zum Geschäftsjahr 2023 war ziemlich zum Vergessen. Nicht, weil das Wachstum beim Umsatz, Gewinn oder Cashflow enttäuschte, sondern weil der starke Schweizer Franken die Ergebnisse verhagelte. 

Seit Anfang Jahr hat der Wind gedreht. Der Franken ist von den grössten 10 Währungen, den sogenannten G10, zusammen mit dem japanischen Yen die schwächste Valuta. Die Schweizer Landeswährung hat zum Dollar (minus 8,6 Prozent), Euro (minus 4,5 Prozent) oder auch zum britischen Pfund (minus 6,2 Prozent) an Wert verloren.

Allerdings macht dies noch keinen Frühling, erklärt Matthias Wullschleger von Belvédère Asset Management auf Anfrage von cash.ch. Der Grund liegt bei der hohen Vorjahresbasis des Frankens. Der Durchschnittskurs des Euro zum Franken lag im ersten Halbjahr 2023 bei 0,98 Franken, für die ersten drei Monate 2024 erst bei 0.95 Franken. Aktuell notiert der Euro zum Franken bei rund 0,9750 Franken.

Sollte der Euro aber bis zum Sommer auf dem aktuellen Niveau bleiben oder höher notieren, so wäre eine Verbesserung bei den Unternehmensgewinnen definitiv zu spüren. Das gilt auch in Bezug auf den US-Dollar, wo die beiden Eckwerte im ersten Halbjahr 2023 bei 0,91 Franken und im ersten Quartal 2024 bei 0,87 Franken lagen. Aktuell notiert der Greenback mit 0,9120 um den Durchschnittskurs des ersten Halbjahres 2023.

Erhöhung der Guidance erwartet

«Wahrscheinlich werden wir im ersten Quartal noch nicht viel Neues sehen bei den Gewinndaten, welche die Unternehmen veröffentlichen werden,» erklärt Anastasios Frangulidis, Leiter Anlagestrategie bei Pictet in Zürich. Der Silberstreifen am Horizont ist aber das verbesserte Umfeld für die Schweizer Unternehmen. Dies macht die Kommunikation der Unternehmen positiver.

Eine Verbesserung der Guidance - sprich die Orientierungshilfe der Unternehmen an die Anlegerinnen und Anleger, wie sich die Unternehmenszahlen zukünftig entwickeln dürften - scheint deshalb durchaus im Bereich des Möglichen. Eine verbesserte respektive höhere Guidance führt im Normalfall dazu, dass die Analysten ihre Kursziele wegen steigender Gewinne und Cashflows erhöhen. Das führt wiederum zu höheren Aktienkursen. 

Direkt von der Frankenschwäche profitieren laut Analysten und Vermögensverwalter Unternehmen, die eine hohe Kostenbasis in der Schweiz haben. Darunter fallen die Medizinaltechnik-Unternehmen Straumann und Ypsomed sowie die Spezialchemieunternehmen Bachem, Dottikon und Ems-Chemie. Bei den Industriefirmen sind Accelleron, Burckhardt Compression oder Stadler Rail zu erwähnen.

Beim Pharmazulieferer Lonza fällt ein Drittel der Kosten am Produktionsstandort Visp an. Zu den Profiteuren dürften aber auch Vermögensverwalter wie UBS, Julius Bär oder Vontobel gehören, die einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen in Dollar erzielen. 

Wolf von Rotberg, Aktienstratege bei J. Safra Sarasin, ist optimistisch und betont, dass der Franken oft invers zum Zyklus schwanke. Wenn die Gewinne aufgrund des schwachen Zyklus fallen, sehe es aus, also ob der starke Franken dafür verantwortlich sei. Da der Zyklus nun drehe, könnte es auch sein, dass eine Gewinnverbesserung wegen der Frankenschwäche schon im ersten Quartal drin liege.

«In einem Modell, in dem der Zyklus berücksichtigt wird, hat der Franken einen Koeffizient von etwa -0.5 auf die Gewinne des SMI. Das heisst, ein Anstieg des Franken um ein Prozent belastet die Gewinne des SMI mit etwa 0,5 Prozent", sagt von Rotberg.

Für das laufende Jahr bedeutet das: Die 5 Prozent handelsgewichtete Frankenabwertung im ersten Quartal sollte etwa 2,5 Prozent zu den Gewinnen beitragen, so die Schätzung von von Rotberg.

Für Frangulidis von Pictet liegt sogar noch etwas mehr drin. «Es ist durchaus vorstellbar, dass der positive Währungseinfluss auf die Gewinntätigkeit der Schweizer Unternehmen zwischen 3 Prozent und 5 Prozent betragen wird.»

Deshalb dürfte in Teilen der etwas schwächere Franken schon im ersten Quartal zu besseren Gewinnen beitragen. Das betrifft in erster Linie den «Translation-Effekt», also Fremdwährungsgewinne, die einfach umgerechnet in Franken mehr wert sind. Pharmatitel stehen hier vorne an: hohes Auslandsexposure - in erster Linie zum Dollar - und niedrige Nachfrageelastizität ergeben einen direkten Effekt aufgrund Währungsschwankungen, so von Rotberg von J. Safra Sarasin. Bei Industrieunternehmen kommen Währungseffekte erst mit etwas Verzögerung zum Tragen. 

Zu früh zur definitiven Entwarnung

Deswegen nun blindlings Aktien hinterher zu springen, die von einem höheren Franken profitieren könnten, sollte aber gut überlegt sein. So trivial es auf den ersten Blick scheint, ist es gemäss Christian Gattiker, Chefstratege und Leiter Research bei der Bank Julius Bär, nicht. Der frühere Kapitalgüteranalyst unter anderem für Maschinenwerte und Elektrotechnik hat dies in seinen eigenen Worten «schmerzhaft» erfahren müssen.

Aus Analystensicht können zwei Effekte kaum beziffert werden: Erstens die Währungseffekte und zweitens der operative Hebel, das heisst der Gewinnsprung bei steigendem Umsatz. «Für die Währungseffekte spielen so viele Faktoren hinein, dass es kaum zu modellieren ist: Denn das Unternehmen hat in der Regel nicht nur Umsätze, sondern auch Kosten, Guthaben, Verpflichtungen, Absicherungen und anderes in den verschiedenen Auslandswährungen. Das wird sehr komplex», so Gattiker.

Entscheidend für steigende Gewinne bei Schweizer Unternehmen sind die Währungen zudem nur zum Teil. In Reinkultur ist das für Uhren- und Luxusgütermarken mit ihrem hohen Kostenblock in der Schweiz der Fall. Gattiker rät zur Vorsicht: «Ob die Uhrennachfrage in China steigt oder fällt, hat erfahrungsgemäss deutlich mehr Einfluss auf die Bewertung von Swatch und Richemont als die Härte des Schweizer Frankens.» 

Eine der wichtigsten Grössen bleibt die globale Konjunkturentwicklung. Wächst die Weltwirtschaft, so geht es auch mit den Gewinnen langfristig nach oben. Aber gerade das Wirtschaftswachstum hat sich seit 2020 verlangsamt und der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mittelfristig weiter mit einem historisch schwachen Wirtschaftswachstum.

Thomas Daniel Marti
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