«Steuerfreie Dividende» - diese Formel weckt traditionell Fantasien bei Anlegern und Anlegerinnen. Zum einen haben Dividenden bei Aktien-Investoren in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. Zum anderen impliziert das Wort Steuerfreiheit immer gewisse Ersparnisse oder pekuniäre Vorteile.

Bei steuerfreien Dividenden handelt es sich um eine steuerbefreite Rückzahlung aus der Kapitaleinlagenreserve von Unternehmen, so die etwas komplizierte, «offizielle» Definition. Einfacher ausgedrückt: Eine Dividende bleibt steuerfrei, wenn das Unternehmen das auszuschüttende Geld aus den Einlagen entnimmt statt aus dem operativen Geschäft. Kapitaleinlagereserven entstehen bei Firmen typischerweise durch Kapitalerhöhungen oder Börsengänge.

Der Mechanismus der steuerbefreiten Dividende war in der Schweiz mit der Unternehmenssteuerreform II ab 2011 möglich. Seit der dritten Unternehmenssteuerreform können Firmen aber bloss noch maximal die Hälfte ihrer Dividenden steuerfrei ausschütten. Diese Regelung gilt seit 2020.

"Normale" Dividenden fallen unter die Schweizer Verrechnungssteuer von 35 Prozent. Denn im Gegensatz zu Kurs- und Kapitalgewinnen aus steigenden Aktienkursen werden Dividendenzahlungen in der Schweiz als Einkommen behandelt und daher besteuert. Die Verrechnungssteuer kann aber bei einer «wahrheitsgemässen Deklaration» der Aktien in der Steuererklärung (so der Wortlaut der kantonalen Steuerverwaltungen) vom Kanton zurückgefordert werden.

Holcim mit attraktiver Dividende

Das Aktien-Research Vontobel hat in einer Studie Schweizer Aktien beziehungsweise Firmen ausfindig gemacht, wo ein erheblicher Teil ihrer Dividendenzahlungen von maximal 50 Prozent steuerfrei aus inländischen Kapitaleinlagereserven an Schweizer Anleger ausgegeben werden kann. Dazu zahlen zwei Schweizer Unternehmen steuerfreie Dividenden aus ausländischen Kapitaleinlagereserven.

Eine dieser der beiden Firmen ist der Zementhersteller Holcim. Hier können Schweizer Anleger in den nächsten sieben Jahren von steuerfreien Dividenden profitieren, bis die ausländischen Kapitalreserven aus der Fusion mit Lafarge im Jahr 2031 aufgebraucht sind.

«Holcim bietet eine aussergewöhnlich attraktive Gesamtausschüttung», schreiben die Analysten von Vontobel in ihrem Dividenden-Report vom Herbst 2023. Die Ausschüttung besteht dabei aus einer Dividende, die vollständig von der Verrechnungssteuer befreit ist, und Aktienrückkäufen. Bemerkenswert sei, dass Holcim eine Nachsteuerrendite von fast 5 Prozent biete, was die Nachsteuer-Dividendenrendite von Unternehmen wie Swiss Re, Zurich Insurance Group und Swiss Life übertreffe, so Vontobel.

SIG, der Hersteller von Verpackungslösungen, schüttet ebenfalls Dividenden ohne Steuerabzug aus. Die Firma hat mit einer Kapitalerhöhung für die Übernahme von Evergreen Asia über 200 Millionen Euro eingenommen, wodurch sich die ausländischen Kapitalreserven erhöhten.

«Bleiben die Dividendenausschüttungen auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2022, können sich Schweizer Anleger in den nächsten zehn Jahren auf steuerfreie Dividendenzahlungen freuen», schreibt die Bank Vontobel mit Blick auf die SIG-Aktie. Die Bank weist jedoch auch auf die relativ bescheidene Nachsteuerrendite von etwas über 2 Prozent hin.

Steuerfreie Dividenden aus inländischen Kapitaleinlagereserven

Im Banken-Research wurden überdies Schweizer Unternehmen identifiziert, die ohne Gewinnrücklagen auch steuerfreie Dividenden aus inländischen Kapitaleinlagereserven zahlen können. So zum Beispiel der Vermögensverwalter EFG, der seine Dividende vollständig aus inländischen Kapitaleinlagereserven und zahlt und Privatanlegern somit eine steuerfreie Dividende zu 100 Prozent bietet. EFG kann dies für maximal 13 Jahre tun. Der Messgerätehersteller Landis+Gyr kann dies aus selben Gründen für vier Jahre vollziehen.

Darüber hinaus können Firmen steuerfreie Dividenden an Anleger ausschütten, indem sie den Nennwert der Aktie herabsetzen. Sie verfügen dabei nicht über nennenswerte Kapitaleinlagereserven. Eine solche Firma ist der Chip- und Halbleiterhersteller u-blox. Der Nennwert der Aktie wurde laut Handelsregister 2022 auf 13,50 Franken und 2023 auf 11,50 reduziert. Steuerfreie Dividenden sind laut der Bank Vontobel noch für die nächsten fünf bis sechs Jahre möglich.

Der Pharmazulieferer Siegfried hat in diesem Frühling eine gänzlich steuerfreie Dividende ausgeschüttet, nachdem der Nennwert der Aktien auf 14,60 Franken herabgesetzt wurde. Diese kann bei gleich bleibender Dividendenzahlung bis zu vier Jahre lang aufrechterhalten werden. Spezialitätenchemiehersteller Clariant kann durch eine Reduzierung des Nennwerts weiterhin Dividenden für die nächsten fünf bis sechs Jahre ausschütten.

Das gleiche gilt für Ypsomed, die allerdings 50 Prozent der Dividende aus inländischen Reserven aus Kapitaleinlagen und die andere Hälfte aus einbehaltenen Gewinnen ausschüttet. Die Dividende ist daher «nur» zu 50 Prozent steuerfrei. Diese Strategie könnte laut Vontobel gar für die nächsten 20 Jahre beibehalten werden, bevor mit der Herabsetzung des Nennwerts der Aktie begonnen wird.

Daniel Hügli
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