Ollie Beckett beweist ziemlichen Mut. Der Fondsmanager vom britischen Vermögensverwalter Janus Henderson Investors setzt zum Beispiel auf Aryzta und Meyer Burger, zwei in der Schweiz eher als "Problemaktien" bekannte Titel.
"Wir halten Ausschau nach Firmen, die unterbewertet sind und bei denen wir der Meinung sind, dass sie der Markt falsch einschätzt", sagt Beckett im cash-Video-Interview. In vielen Fällen sind das Turnaround-Kandidaten, die nach einer negativen Phase wieder in die Erfolgsspur zurückfinden sollen. Zumindest für Aryzta und Meyer Burger trifft das zu. Beide Firmen haben in den letzten Monaten ihren Chef ausgetauscht und suchen einen Ausweg aus dem Misserfolg.
Doch dabei sind sie unterschiedlich weit. Aryzta musste zuletzt erneut einen rückläufigen Umsatz und deutlich tiefere Gewinnzahlen vermelden. Der Konzern leidet ausserdem nach wie vor unter einer hohen Schuldenlast. Dementsprechend hat die Aktie im laufenden Jahr 36 Prozent an Wert verloren. Dennoch steht Aryzta auch anderswo auf dem Kaufzettel. Die Neue Helvetische Bank schreibt in einem Anlagekommentar, sie traue dem neuen CEO den Turnaround zu und die Titel seien "eine Versuchung" - auch aufgrund der attraktiven Bewertung.
Bei Meyer Burger scheint sich die Lage bereits etwas aufgehellt zu haben, wie zum Beispiel der verbesserte Bestellungseingang zeigt. Risikoaffine Anleger konnten mit dem Titel seit Jahresbeginn 88 Prozent Performance erzielen. Meyer Burger habe eine Technologie, die Solarfirmen helfe, effizienter zu sein und die Kosten zu reduzieren, fügt Ollie Beckett hinzu. "Sie haben schwierige Zeiten hinter sich, sind nun aber interessant."
«In Europa gibt es immer Unsicherheiten»
Daneben ist Becketts "European Smaller Companies" Fonds auch noch bei OC Oerlikon engagiert. Ebenfalls ein Unternehmen mit turbulenter Vergangenheit und - laut Beckett - eines mit vielversprechender Zukunft.
Seine grösste Position ist aber die holländische Bank Van Lanschot, die sich derzeit von einer Retail-Bank zu einem Vermögensverwalter entwickelt. Performance seit 1. Januar: Plus 35 Prozent. Zudem setzt Beckett auf die deutsche Restaurantkette Vapiano, die italienisches Essen serviert und erst seit Juni an der Börse ist. Oder auf die britischen Billig-Fitnesscenter von Gym Group (plus 22 Prozent).
Europäische Aktien erleben momentan allgemeinen Zuspruch. Anleger haben jüngst so viel Geld in europäische Aktien investiert wie seit der Schuldenkrise nicht mehr. Einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter 48 Fondsmanagern zufolge lag der Anteil europäischer Anteilsscheine in den Depots per Ende August bei 20,5 Prozent.
Die Börsenprofis begründeten die Entwicklung mit der ultra-lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), dem robusten Wirtschaftswachstum und den ermutigenden Firmenbilanzen in Europa. Davon abzuleiten, es gebe kaum Risiken, wäre aber falsch. "Bei so vielen Ländern wird es in Europa immer politische Unsicherheiten geben", sagt Fondsmanager Ollie Beckett. Auf wirtschaftlicher Seite sieht er die Gefahren aber weniger in Europa: "Die grösseren Unsicherheiten sehe ich in China und den USA. Verlangsamt sich dort das Wachstum, wird sich Europa nicht entziehen können."
Der Euro als Risiko
Eine weitere Herausforderung für europäische Unternehmen ist der Wechselkurs des Euro. Die Gemeinschaftswährung hat in den letzten Monaten deutlich an Wert gewonnen, seitdem spekuliert wird, dass die Europäische Zentralbank in naher Zukunft mit dem Abbau ihrer Bilanz beginnen könnte. Auch die Abnahme politischer Risiken stützt die Gemeinschaftswährung.
Vielen exportorientierten Firmen hilft ein starker Euro nicht. Im Vergleich mit dem europäischen Aktienmarkt (gemessen am Stoxx50) hat sich in der jüngsten Vergangenheit auch gezeigt: Legt der Euro zu, sinken die Aktienkurse und umgekehrt:
Euro-Dollar-Kurs (grün) im Vergleich zum Stoxx50-Index (rot) in den letzten zwölf Monaten (Quelle: cash.ch)
Im cash-Video-Interview äussert sich Ollie Beckett auch zu einem Nach-Brexit-Szenario im Zusammenhang mit seinem Portfolio.